Versauerung der Meere: Muscheln hart im Nehmen

Miesmuscheln schaffen es trotz des abnehmenden Kalkgehalts der Meere, Schalen zu bilden. Das ist aber kein Grund zur Entwarnung.

Weicher Kern, harte Schale: Die Miesmuschel Foto: DPA

HAMBURG taz | Miesmuscheln trotzen der Versauerung der Meere. Obwohl mit dem Säuregrad der Kalkgehalt im Wasser abnimmt, schaffen es die Muscheln weiterhin, Schalen zu bilden. Wie genau, ist allerdings noch unklar. Das geht aus einem Artikel des Fachmagazins Science Advances hervor. Die Versauerung ist Folge des Klimawandels, der den CO2-, also den Kohlensäuregehalt des Wassers ansteigen lässt.

ForscherInnen aus Kiel, Bremen, Bremer- und Wilhelmshaven untersuchten zwischen 2012 und 2014 drei Generationen der Gemeinen Miesmuschel: aus der Kieler Förde in der Ostsee, in der es regelmäßig zu extremen CO2-Werten kommt, und aus der Nordsee vor Sylt, deren CO2-Gehalt geringer ist.

Ziel war es, die Bedrohung der Miesmuscheln durch die Meeresversauerung einzuschätzen. Die zentrale Frage sei gewesen, wie schnell die Muscheln aus den beiden Lebensräumen sich an das geringe Kalkvorkommen im Wasser anpassten, sagt Frank Melzner, Wissenschaftler am Geomar in Kiel.

Das Meerwasser versauert, weil es CO2 aus der Verbrennung von Kohle, Gas und Erdöl aufnimmt. Die Säure erschwert es Meeresorganismen, kalkhaltige Strukturen wie Muschelschalen und Skelette zu bilden. Damit sind nicht nur Muscheln, sondern auch Fische und insbesondere Fischlarven gefährdet.

Miesmuscheln können es aber offenbar trotzdem schaffen, weiterhin Schalen zu bilden. Um den Grund hierfür herauszufinden, gewöhnten die BiologInnen zunächst Muscheln aus der sauren Kieler Förde an die Lebensbedingungen in der weniger sauren Nordsee. Im nächsten Schritt wurden ihre Larven und Larven von Muscheln, die in der Nordsee heimisch sind, im Labor jeweils den Bedingungen der Nordsee und der Kieler Förde ausgesetzt.

Das Ergebnis: Obwohl die Elterngenerationen beider Larvenbestände an die angenehmen Nordsee-Bedingungen gewöhnt waren, erwiesen sich die Nachkommen der Kieler Muscheln als robuster gegenüber hohen CO2-Konzentrationen. Diese unterschiedlichen Anpassungsfähigkeiten führen die ForscherInnen auf genetische Unterschiede zwischen den Populationen zurück.

Unklar ist, über welchen Zeitraum sich diese Unterschiede entwickelt haben. „Das kann über 50 Jahre passiert sein oder auch über 7.000“, sagt Melzner – Grund könnte also der Klimawandel der vergangenen Jahrzehnte sein, aber auch der seit jeher geringe Salzgehalt der Ostsee, der den Kalkhaushalt ähnlich beeinflusst wie die Versauerung.

Auch was Prognosen angeht, sind die BiologInnen vorsichtig. So können die Miesmuschelergebnisse nicht auf andere Organismen übertragen werden und sogar Voraussagen über die weitere Entwicklung der Muscheln stünden „auf dünnem Eis“, warnt Melzner.

Jedenfalls sei die Geschwindigkeit, mit der sich die Miesmuscheln an die veränderten Bedingungen anpassten, „viel zu gering, um mit dem Klimawandel mitzuhalten“, sagt er. Eine Gewinnerin sei die Muschel daher nicht, stellt Melzner fest: „Sie ist eher so etwas wie die Einäugige unter Blinden.“

An der Untersuchung beteiligt waren ForscherInnen des Geomar-Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel, des Helmholtz-Zentrums für Polar- und Meeresforschung Bremerhaven, der Universität Bremen und des Instituts Senckenberg am Meer in Wilhelmshaven.

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