Verspätete Saison in Leichtathletik: „Wir wollen Spaß haben“

Stabhochspringer Torben Blech hat so gut trainiert wie vielleicht noch nie. Doch Olympia fällt aus – und er sehnt sich nach echten Wettbewerben.

Drüber: Torben Blech bei der Flight Night in Düsseldorf Foto: Beutiful Sports/imago

taz: Nächste Woche würden die Olympischen Spiele 2020 eröffnet. Denken Sie da manchmal dran?

Torben Blech: Auf jeden Fall. Gerade in den letzten fünf, sechs Wochen, in denen es doch langsam ziemlich zäh wird. Wir sind ja quasi noch immer im Aufbautraining. Ohne Corona liefe die Saison seit zwei Monaten und aktuell wären wir schon in Japan zur Akklimatisation für Olympia. Stattdessen haben wir eine verkehrte Welt.

Stattdessen haben Sie am vergangenen Samstag einen Testwettkampf auf der heimischen Anlage mit den Trainingspartnern als Konkurrenz absolviert. 5,40 Meter haben Sie geschafft.

Ja, hervorragend. Totaler Mist, also ehrlich. Das ist einfach nur nervig. Eigentlich bin ich gut drauf. Ich bin in der letzten Woche im Training aus verkürztem Anlauf 5,60 Meter gesprungen. Davor die Woche auch. Dann kommt dieser Testwettkampf und es heißt: Jetzt muss höher gesprungen werden, das ist ja ein Wettkampf. In Wirklichkeit ist das aber ein Training wie sonst auch. Mit derselben Trainingsgruppe. Da kommt überhaupt kein Gefühl von Spannung auf. Wir brauchen endlich wieder echte Wettkämpfe.

ist Stabhochspringer beim TSV Bayer 04 Leverkusen und Psychologiedtudent. Der 25-Jährige wechselte Ende 2018 vom Zehnkampf zum Stabhochsprung. 2019 übersprang er 5,80 Meter und knackte die Olympia-Norm.

Es soll in der Leichtathletik ja eine „late season“ geben. Wann geht es für Sie los?

Am 25. Juli in Zweibrücken, da wird national alles, was stabhochspringen kann, vor Ort sein. Das wird endlich mal ein Wettkampf, den man auch als Wettkampf bezeichnen kann. Zwei Wochen später sind die Deutschen Meisterschaften in Braunschweig und am 16. August findet ein Meeting in Leverkusen statt. Da haben wir über einige Wochenenden Wettkämpfe und es kommt hoffentlich ein bisschen Routine auf.

Sie waren zu Beginn der Coronakrise noch sehr zuversichtlich, wollten die gewonnene Zeit für Athletik-Training nutzen, haben positiv nach vorn geblickt …

Ja, ich habe mir gesagt: Dann bin ich nächstes Jahr eben noch stärker, noch schneller und springe noch höher. Nach dieser Pause bin ich halt rein körperlich ein Biest. Mein Trainingspartner Bo Kanda Lita Baehre und ich, wir haben uns krass gepuscht und uns gesagt: Nach Corona muss die Konkurrenz einfach Angst kriegen vor uns.

Sie haben im letzten Jahr die 5,80 Meter geschafft und damit die Olympia-Norm geknackt. Der Plan war, in diesem Jahr daran anzuknüpfen. Jetzt fehlt wahrscheinlich das Gefühl: Ich kann das noch. Oder?

2020 ist ein Olympiajahr. Doch die Spiele von Tokio sind pandemiebedingt ins nächste Jahr verschoben worden. Trainiert und gesportelt wird trotzdem auch in diesem Jahr. Es wird geschwommnen, gefochten, gelaufen, gerungen und gesprungen. Den besonderen Herausforderungen des olympischen Sports zu Coronazeiten widmet die Leibesübungen-Redaktion der taz einen Schwerpunkt.

Ich kann sogar noch mehr. Ich bin aktuell im Training so viel besser als im ganzen letzten Jahr. Ich bin jetzt etwas genervt. Aber das bringt ja nichts. Ich trauere nicht den Olympischen Spielen nach, die nun nicht stattfinden. Jetzt gilt es, sich für die Late Season vorzubereiten. Wir haben brutal gut trainiert und sind richtig gut drauf. Jetzt wollen wir performen, wollen Leistung bringen, wollen Spaß haben, wollen rumkommen.

Die Norm, die Sie im vergangenen Jahr erfüllt haben, zählt auch noch für die auf nächsten Sommer verlegten Spiele. Können Sie sich damit sicher sein, ein Ticket in der Tasche zu haben?

Wenn in diesem Jahr noch eine 5,80 fallen würde, würde die nicht zählen. Erst ab nächstem Jahr werden die Höhen wieder für die Olympia-Qualifikation gewertet. Im Moment haben Raphael Holzdeppe und ich die Norm erfüllt und Bo wäre über die Weltrangliste qualifiziert. Man kann sich natürlich nie sicher sein, aber es müssten ja noch mindestens zwei Springer über 5,80 Meter kommen, damit meine Qualifikation in Gefahr geriete. Ich will mich nicht darauf ausruhen, im Sport kann immer viel passieren. Aber ich weiß, dass ich in den nächsten Monaten 5,80 Meter und höher springen kann.

Sie sind neben dem Sport auch Psychologiestudent, haben in diesem Sommersemester allerdings wegen der Olympischen Spiele pausiert.

Ja, das ist ein bisschen doof gelaufen. Als klar war, dass Olympia verschoben wird, war die Anmeldefrist für die Kurse bereits vorbei. Ich werde später in den Beruf einsteigen als andere, aber tauschen würde ich nicht. Der Sport gibt mir sehr viel: die Erfahrungen bei Wettkämpfen, die Städte, Länder und Menschen, die ich kennenlerne, ich finde Freunde fürs Leben, lerne Zielstrebigkeit und Gewissenhaftigkeit. Ich werde in meinem Leben also noch genug arbeiten, warum soll ich diese Zeit jetzt, die zwar nervenaufreibend, aber doch ganz schön ist, nicht auskosten? Ich ziehe den Hut vor allen, die mit 18 Jahren ihr Abitur machen, das Studium in vier, fünf Jahren durchziehen und dann voll in den Job einsteigen. Davor habe ich größten Respekt. Aber genauso sollte man uns Sportlern Respekt entgegenbringen, finde ich.

Keine Wettkämpfe, kein Studium – Sie konnten also trainieren wie nie zuvor.

Ja. Insofern könnte die Verschiebung der Spiele sogar ganz gut für mich sein. Meine Entwicklung im Stabhochsprung hat nach dem Wechsel vom Zehnkampf vor anderthalb Jahren gerade erst begonnen. Früher bin ich angelaufen, habe den Stab irgendwie da reingehalten und bin mit null Orientierung gesprungen. Das war ein Irgendwie-da-drüber-Eiern. Heute fühlen sich meine Sprünge schon eher wie fliegen an. Bei den 5,80 Metern habe ich zum ersten Mal gemerkt, wie viel Power so ein Stab hat. Verglichen mit anderen fehlen mir aber unendlich viele Trainingssprünge.

Trotzdem springen Sie schon auf Weltklasseniveau.

Es hat auch etwas Gutes, dass ich so lange Mehrkampf gemacht habe. Ich bringe richtig viel Power mit. Weltweit gibt es maximal ein oder zwei andere Stabhochspringer, die so einen Bumms im Absprung haben wie ich. Das ist meine Stärke. Technisch bin ich in den Top 20 der Welt dafür mit Abstand der Schlechteste. Alles, was nach dem Absprung passiert, ist noch nicht gut bei mir. Mein 5,80-Meter-Sprung, ganz ehrlich, der war technisch lächerlich. Wirklich. Den muss man sich mal von der Seite angucken. Der Absprung ist bombastisch. Aber alles danach eine Frechheit. Daran arbeite ich. Es wird besser. Ich bin sicher, dass noch viel mehr drin ist.

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