Versteckte Comictalente: Alles Gute kommt von unten

Der Carlsen-Verlag hat den Strips im Norden den Weg bereitet. Doch wer das Abenteuer sucht, muss sich inzwischen im Netz umtun

Hallo Bremen: Dieser Strip zielt auf die Stadt, ohne sie zu meinen. Foto: Maximilian Hillerzeder/alsichmal.hillerkiller.com

Wie Bremen in den Comic kam, darauf gibt es eine klare und schlüssige Antwort: „Ursprünglich“, erklärt Maximilian Hillerzeder, „war es tatsächlich eine rein phonetische Entscheidung.“ Unter dem Gesichtspunkt sei Bremen „alternativlos“ gewesen: Schon im 2013/2014 entstandenen Comic „Als ich neulich auf See verschollen war“ taucht die Stadt als mögliches Reiseziel auf, und „ich stelle mir gerne vor, dies hätte maßgeblich zum heutigen Erfolg der Stadt beigetragen“, sagt der Autor.

Jetzt, in seiner absurden Erzählung „Als ich mal plötzlich in der Wüste gewesen bin“ ist Bremen ein zentraler Schauplatz. Liebevoll hat der aus Bayern stammende Comickünstler, der in Leipzig lebt, diese Stadt so entworfen, wie sie sein müsste, als ein Mix aus Western-Atmo und adriatischem Seeräubernest: „Ich kann mit Fug und Recht behaupten, noch niemals in der näheren Umgebung von Bremen gewesen zu sein, was ich mir auch in jedem Fall bewahren möchte“, so Hillerzeder zur taz.

Das sei gut für die Atmosphäre der Erzählung, wahrscheinlich aber auch „ein bisschen die Angst, vieles nicht so vorzufinden, wie ich es mir vorgestellt habe, wie bei einer schlechten Buchverfilmung“. Hillerzeder, eines der großen Talente des deutschen Comics, publiziert online, die Wüstengeschichte wird jeden Mittwoch fortgesetzt – und ob die Reisegesellschaft, die sich derzeit mit lästigen Piratenfrosch-Geistern herumschlagen muss, je wieder nach Norddeutschland gelangt, ist ungewiss.

Wie der Comic nach Norddeutschland kam, ist keine geheime Geschichte: Vor 50 Jahren hat der damals noch in Schleswig-Holstein ansässige Carlsen-Verlag den Bilderzählern eine Nische im Sortiment geschaffen; mit und für Hergés „Tim & Struppi“ wurde das Album als Erscheinungsform in Deutschland etabliert.

Solche verlegerischen Taten bedeuten immer auch, mindestens abstrakt, einen Ausschluss: Sie stecken ein Feld ab, auf dem künftig kultiviert und produziert, geforscht und gefördert wird. Jenseits dieses Feldes wächst: das Unerwartete. Zum Beispiel Conny aus Bremen. Mit der viel populäreren Conni aus dem Carlsen-Verlag ist die nicht verwandt und nicht verschwägert, und „ich wusste nicht einmal, dass es sie gab, als ich anfing sie zu zeichnen“, sagt der Bremer Max Vähling.

Sie trägt zwar auch das blonde Haar als Pferdeschwanz und ist ein Mädchen, das sich von den diversen Problemen des Alltags nicht kleinkriegen lässt, während allerdings die Conni aus Hamburg keinen Nachnamen hat und sich schlimmstenfalls mit Läusen auseinandersetzen muss, lernt Max Vählings Conny von Ehlsing beim Ritt durch die Hölle fürs Leben, killt Vampire und duelliert sich mit Seeschlangen. Als „der Jähling“ bezeichnet sich Vähling, durchaus des Reimes wegen. „Und weil es zu mir passt“, sagt er. „Zu meiner Art zu zeichnen und Geschichten zu erzählen.“

Tatsächlich bedeutet „jähling“ soviel wie „plötzlich, unerwartet. Und auch wenn Vähling im wahren Leben eher wie der klassische Sozialpädagoge auftritt, wirken seine Strips manchmal, als könnte ein retardierendes Moment dem Lachen die Bahn besser freischießen: Wozu etwas allmählich anbahnen, wenn man den LeserInnen die Pointe auch einfach vor den Latz knallen kann. Wozu drei Panels, wenn es auch in zweien geht: Zeichnen ist schließlich eine mühselige Angelegenheit, ja harte, zermürbend selbstkritische Arbeit, gerade wenn man nicht mit göttlichen Händen geboren worden ist.

Vähling ist Autodidakt. Er zeichnet, weil er immer schon gezeichnet hat und „weil es dann einfach in dir brodelt“. Und er setzt seit Langem auf Webcomics, bringt dann aber in unregelmäßigen Abständen auch selbst verlegte kleine Alben heraus. Der fünfte Band von „Conny, die Geisterjägerin“ ist vergangenes Jahr erschienen: Er funktioniert auch dann gut, wenn man seine Vorgänger nicht kennt. Es macht aber Spaß, die künstlerische Entwicklung von Band zu Band zu verfolgen.

Seither allerdings – viel zu lange schon! – pausiert die Serie, die einst aus der Begeisterung über die TV-Serie „Buffy – The Vampire Slayer“ geboren wurde. Ihre Hauptfigur war um 2004 erstmals in Jählings Strips aufgetaucht. Ab 2007 publizierte er sie dann auf Englisch, einmal pro Woche, auf der Site webcomicsnation.com, einem der Portale, das der Onlinecomic-Pionier Joey Manley aus Kentucky aufgebaut hatte. Die Site ist abgeschaltet worden, kurz nachdem Manley 2013 mit gerade mal 48 Jahren an einer Lungenentzündung starb. Und selbst archive.org hatte den Fundus der Site nicht gesichert. Von wegen das Web vergisst nichts.

Tatsächlich aber gibt es dem Comic etwas von seiner ursprünglichen Anarchie zurück, dem Wildwuchs der punkigen Underground-Fanzines. Wer gepflegt Comics lesen will, ist auf Carlsen angewiesen. Wer sich auf das Medium einlassen will wie auf ein Abenteuer, muss suchen. Online.

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