Verwahrloste Immobilie: Wohnheim nicht mehr sicher

Nach Räumung des ehemaligen Lübecker Wohnheims müssen rund 100 Mieter neue Bleibe suchen. Die Polizei ermittelt gegen Vermieter.

Einer von rund 100 Mietern im Lübecker Ex-Wohnheim: Hussam Aswad organisierte sich sein Zimmer direkt aus Syrien. Foto: Albert Wenzel

LÜBECK taz | „In Syrien ist seit fünf Jahren Krieg und da gibt es Strom und Wasser“, sagt Hussam Aswad. In dem ehemaligen Wohnheim in der Lübecker Anschützstraße wohnte er elf Tage ohne Strom, Wasser und Heizung. Jetzt wurde das Gebäude, das in Lübeck unter dem Namen „Marmara“ bekannt ist, aus Sicherheitsgründen geräumt und Aswad muss sich eine neue Bleibe suchen.

„Gefährlich und entwürdigend“ nannte Lübecks Innensenator Bernd Möller (Grüne) die Zustände im ehemaligen Studentenwohnheim. Im Etagenbad tropft es, aus den Toiletten dringt Gestank und im Treppenhaus lagert Müll. Die Stadt war auf diese Zustände hingewiesen worden und am Mittwochmorgen waren Vertreter der Stadt dann vor Ort, um sich ein Bild zu machen. Sie erklärten das Haus unter anderem wegen unbeleuchteter Fluchtwege für unbenutzbar.

Die Stadtwerke entdeckten bereits am Montag vor einer Woche Manipulationen an Gas-, Wasser- und Stromanlagen: wild verlegte Stromleitungen, rückwärtslaufende und geöffnete Zähler. „Das war lebensgefährlich“, sagt Lars Hertrampf, Sprecher der Lübecker Stadtwerke. Aufgrund eines anonymen Hinweises habe man gemeinsam mit der Polizei die Anlagen besichtigt und die Energieversorgung dann eingestellt.

Die Stadtwerke haben Strafanzeige gegen den Vermieter gestellt. Der 75-Jährige bestreitet allerdings, etwas mit den Manipulationen zu tun zu haben. Ehe „der Betrug nicht geklärt ist“, werden die Stadtwerke aber kein Wasser, Strom und Gas liefern, sagt Hertrampf.

Bernd Möller, Lübecker Innensenator

„Die Zustände im Gebäude waren für die Bewohner gefährlich und entwürdigend“

Falsche Mietverträge

Der 26-jährige Aswad ist seit sieben Monaten in Deutschland. Der ausgebildete Arzt hat sich um ein Praktikum an der Lübecker Uniklinik beworben. Für sein Zimmer in der Anschützstraße zahlte er jeden Monat 270 Euro bar an den Vermieter. Aswad hatte sich sein Zimmer direkt von Syrien aus organisiert und dann ein Visum beantragt. Sein Vermieter verwendete aber offenbar Mietverträge, in denen er sich als „Wohnheim Verwaltung für die Fachhochschule Lübeck Medizinische Universität“ ausgab, wie der NDR berichtete. Laut Fachhochschule habe es jedoch „keinerlei vertragliche Verbindungen zu diesem privaten Anbieter“ gegeben.

Am Mittwoch mussten dann alle rund 100 Bewohner, die meisten von ihnen aus Osteuropa, raus aus dem Haus. Eine Mitarbeiterin der Sozialen Sicherung Lübeck habe die Bewohner persönlich informiert, sagte eine Sprecherin der Stadt. Außerdem seien Zettel verteilt worden. Aber „für die Räumung ist sowieso der Vermieter in der Verantwortung“, so die Sprecherin. Der rührte sich jedoch nicht, gegen ihn laufen laut Polizei „Ermittlungen in verschiedene Richtungen“.

Anke Dräger, eine Lübeckerin mit syrischen Freunden im besagten Wohnheim, kümmerte sich um die Bewohner, telefonierte mit der Stadt und fand heraus, dass eine Unterkunft in der Turnhalle einer ehemaligen Grundschule Moisling zur Verfügung steht. Über Facebook organisierte sie Fahrten mit Privatautos zur neuen Unterkunft. In der Turnhalle sind aber nur etwa 25 der Bewohner untergekommen, die übrigen haben bei Freunden Unterschlupf gefunden oder die Firmen, für die sie arbeiten, haben ihnen ein Hotelzimmer organisiert.

Aswad verbrachte die Nacht zum Donnerstag bei einem Freund, zog dann in die Grundschule. Wie es jetzt weitergehen soll, weiß er nicht. Die Stadt sagt, die Bewohner können mindestens noch ein paar Tage in der Unterkunft bleiben. Um Wohnungen müssten sie sich aber selbst kümmern.

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