Verwirrung um Putschversuch in Benin: Putsch oder kein Putsch, das ist hier die Frage
Soldaten in Benin verkünden den Sturz des gewählten Präsidenten Talon. Dessen Regierung dementiert. Aber die Putschisten geben sich nicht geschlagen.
Die Kette von Militärputschen in Westafrika hat am Sonntag Benin erreicht und ist da möglicherweise gerissen. Benins Regierung erklärte am Sonntagmittag, sie habe einen Putschversuch aus den Reihen der Armee niedergeschlagen – aber am Nachmittag zirkulierte ein Video des mutmaßlich untergetauchten Putschistenführers Pascal Tigri, der die Bevölkerung aufrief, „massiv“ die „Operation zur Befreiung des beninischen Volkes“ zu unterstützen.
Am Sonntag Morgen hatte ein bunter Haufen von Soldaten mit Sturmgewehren das Staatsfernsehen in Benins größter Stadt Cotonou besetzt und den Sturz des gewählten Präsidenten Patrice Talon verkündet. Die Verfassung sei suspendiert, alle Institutionen aufgelöst, die Grenzen geschlossen, ein „Militärkomitee zur Neugründung“ übernehme jetzt die Macht, hieß es in der Erklärung.
Innenminister Alassane Seydou tauchte wenige Stunden später selbst im Fernsehen auf und sagte in einer offiziellen Erklärung, der Putschversuch sei gescheitert. Alles sei unter Kontrolle, die „Meuterei“ eines „Grüppchens von Soldaten“ sei vereitelt worden.
Dem widersprach dann Putschführer Tigri, aber der genaue Zeitpunkt seiner kurzen Erklärung und auch deren Echtheit sind unklar.
Angriff auf Präsidentenpalast abgewehrt
Oberst Pascal Tigri ist ein Artillerieoffizier der Nationalgarde und Berichten zufolge Gewinner eines Schießwettbewerbs. Er soll mit seinen Soldaten zunächst Talons Residenz und den Präsidentenpalast in Cotonou angegriffen haben, wurde dort aber von der Präsidialgarde abgewehrt und besetzte stattdessen das Staatsfernsehen, von wo aus er seine Machtergreifung verkündete, ohne die Macht tatsächlich ergriffen zu haben.
Derweil wurde das Regierungsviertel von loyalen Streitkräften weiträumig mit Panzern abgesperrt, und es waren Schüsse zu hören. Aber nicht alle am Umsturzversuch Beteiligten konnten festgenommen werden.
Der Putschversuch steht im Zusammenhang mit den Wahlen im April 2026, bei denen der amtierende Präsident Patrice Talon nach zwei gewählten Amtszeiten nicht mehr antritt. An seiner Stelle soll Finanzminister Romuald Wadagni kandidieren, ein treuer Talon-Anhänger.
Oppositionsparteien üben an den Wahlen allerdings scharfe Kritik: Die Verfassung war im November geändert worden und die Amtszeiten des Präsidenten betragen künftig sieben statt fünf Jahre. Im Oktober hatte die Wahlkommission überdies den gemeinsamen Oppositionskandidaten Renaud Agbodjo nicht zugelassen; das Verfassungsgericht nahm eine Beschwerde dagegen nicht an.
So wird Wadagni in vier Monaten nur einen einzigen Gegenkandidaten mit geringem politischen Gewicht besiegen müssen, bevor er für voraussichtlich vierzehn Jahre Benin im Sinne Talons weiterregieren kann. Die Putschisten um Tigri bezogen sich in ihrer TV-Erklärung auf den Mangel an freier Auswahl bei den kommenden Wahlen und erklärten ausdrücklich die Verfassung in ihrer neuen Form von November für ungültig.
Prorussische Kräfte jubeln
Auffällig ist, dass vor allem prorussische Kanäle den Putschversuch, den sie „Revolution“ nennen, sowie das angebliche Dementi seiner Niederschlagung verbreiten, ebenso Medien, die den Militärputschregimen in den Sahelstaaten Niger, Burkina Faso und Mali nahestehen. Alle drei werden von antiwestlichen Militärjuntas regiert.
Benins Präsident Patrice Talon hingegen ist ein wichtiger Verbündeter der westlichen Mächte sowohl gegen islamistische Terrorgruppen als auch gegen die Militärregime in der Sahelzone. Seit einigen Jahren ist Benins Norden, der an Niger und Burkina Faso grenzt, Schauplatz zunehmend häufiger und tödlicher Angriffe der aus diesen Ländern eindringenden islamistischen Rebellen.
Über Cotonou lief früher der Nachschub für die deutschen UN-Soldaten in Mali. Heute hat Frankreich ebenso wie die USA in Cotonou Spezialkräfte stationiert und führt regelmäßig von dort aus Aufklärungsflüge in der Region durch.
Zu den festgenommenen Putschisten gehören Berichten zufolge Kämpfer aus Burkina Faso. Nigeria soll Benins Regierung Militärhilfe bei der Jagd auf die meuternden Soldaten geleistet haben.
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