Verzögerungen im Auschwitz-Prozess: Befangenheitsantrag gegen Richter

Seit Jahren tut sich nichts mehr im Auschwitz-Prozess in Neubrandenburg. Nun hat die Staatsanwaltschaft einen Befangenheitsantrag gegen die Richter gestellt.

Zwei junge Leute mit Israel-Flaggen laufen über die Gleise zum Tor von Auschwitz-Birkenau

Die Gleise nach Auschwitz-Birkenau im Jahr 2017 Foto: ap

SCHWERIN/NEUBRANDENBURG epd | Im Strafverfahren gegen einen ehemaligen SS-Sanitäter hat die Staatsanwaltschaft Schwerin beim Landgericht Neubrandenburg einen Befangenheitsantrag gestellt. Er richtet sich gegen die Mitglieder der Schwurgerichtskammer und zwei weitere Richter, die im Laufe des Prozesses bereits über andere Befangenheitsanträge entschieden hatten. Dies teilte die Staatsanwaltschaft Schwerin am Montag mit.

Grund für den Befangenheitsantrag sei unter anderem ein Beschluss der Schwurgerichtskammer vom 13. Februar. Darin hatten die Richter laut Staatsanwaltschaft zum wiederholten Mal die Nebenklageberechtigung eines Nebenklägers widerrufen, „obwohl dem bindende Entscheidungen des Oberlandesgerichts Rostock entgegenstanden“. Zudem hätten sich die Richter in zwei weiteren Beschlüssen aus dem November 2016 „in bedenklicher Weise“ über einen Nebenklagevertreter und die Staatsanwaltschaft Schwerin geäußert.

In dem Prozess geht es um den 96 Jahre alten Angeklagten Hubert Z., der als SS-Sanitäter im Sommer 1944 mehrere Wochen im KZ Auschwitz-Birkenau gearbeitet haben soll. Ihm wird zur Last gelegt, von Mitte August bis Mitte September 1944 durch seine Tätigkeit dazu beigetragen zu haben, dass die SS-Leute im KZ handlungsfähig waren und die Massenvernichtung von Deportierten ausführen konnten.

In dem fraglichen Zeitraum kamen laut Anklage 14 Züge mit Häftlingen an, die in den Gaskammern umgebracht wurden. Im Fall einer Verurteilung drohen Hubert Z. drei bis 15 Jahre Haft.

Überlebende nicht als Nebenkläger zugelassen

Die Nebenkläger, Walter Plywaski (87) und William Plywaski (86) aus Boulder/USA, hatten mit 14 beziehungsweise 15 Jahren ihre Mutter 1944 in der Gaskammer des Vernichtungslagers verloren. Das Neubrandenburger Gericht hatte ihnen zweimal die Berechtigung zur Nebenklage abgesprochen. Beide Male hatten höhere Instanzen diesen Beschluss widerrufen, zuletzt Anfang März 2017. Ende März warfen Auschwitz-Überlebende dem Gericht in einem Offenen Brief vor, den Prozess verhindern oder sabotieren zu wollen. Der Offene Brief kann als Online-Petition unterzeichnet werden.

Die Staatsanwaltschaft sieht die Richter nicht mehr in der Lage, Nebenklägern, Nebenklagevertretern und der Staatsanwaltschaft unvoreingenommen und sachlich gegenüberzutreten. Zudem habe sich der Eindruck verfestigt, dass diejenigen Richter, die über zwei Jahre die Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten prüften, nicht zur Sache verhandeln wollten.

Die Nebenklagevertreter hatten am Wochenende wegen der genannten Umstände gegen die Richter der Schwurgerichtskammer Strafanzeige wegen Rechtsbeugung und Beleidigung erstattet.

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