Video der Woche: "Chor der alten Kader" singt Lady Gaga

Wenn in Chinas TV zum Feiertag Lady Gagas "Bad Romance" gecovert wird, dann wird das anständiges Fernsehen. Dann tanzen Senioren der KP mit Mädchen, die flöten.

Muss man wirklich alles covern? Bild: screenshot youtube.com

PEKING taz | Ein Frauenorchester in weißen Seiden- und Tüllkleidchen tänzelt über die Bühne, im Hintergrund schiebt sich von links und rechts ein überdimensionales Puppenhaus mit singenden Senioren ins Bild: Zu den Höhepunkten der diesjährigen Herbst-Gala "Lasst den Mond fliegen" im Provinzfernsehen von Hunan zählt diese Musiknummer "Lao lai qiao Gaga", was sich frei als "Alt Charmant Gaga" übersetzen lässt.

Erstmals ausgestrahlt am 12. September, kursiert diese eigenwillige Coverversion von Lady Gagas Hit "Bad Romance" seither im chinesischen Internet. Stars dieses Videos sind die Senioren des "Freizeitzentrums für ältere Funktionäre der Provinz Hunan" zusammen mit dem "Chor der alten Kader" und der Mädchencombo "Musiknoten schön wie Kristalle".

Die Liebesseufzer Lady Gagas ( "Ich will Dich – ich brauche Dich so sehr”) (hier im Originalvideo) haben sich allerdings etwas verwandelt – und zwar in einen Stoßseufzer alter Leute über ihre Kinder: "Zu viel zu tun – keine Zeit nach Hause zu kommen – am Telefon klingt Ihr immer so beschäftigt – könnt nicht aufhören, beschäftigt zu sein." Es endet damit, dass der Nachwuchs mal hinschauen soll und sich mit den Alten freuen: "Hey, Hey! Alt und fröhlich – Gaga singt so fröhlich wie wir".

Ein Kommentar auf Sina, einem der größten chinesischen Webportale, sieht "Alt Charmant Gaga" als gelungenen Hinweis auf "die Freude und Aufregung alter Menschen, wenn die Familie zusammenkommt". Gleichzeitig sollen "die jungen Leute, die draußen für ihren Lebensunterhalt kämpfen, sich nicht zu viele Sorgen über ihre Eltern machen", weil diese schon wüssten, wie sie sich amüsieren können.

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TV-Galas wie "Lasst den Mond fliegen" mit mehr oder weniger phantasievollen Gesangs- und Tanznummern gehören in China zu allen größeren Feiertagen. Weil die Zensoren zu solchen Anlässen besonders genau hinschauen, müssen sich die Choreografen etwas einfallen lassen, was in den Augen der Funktionäre "anständig" daher kommt und in den Augen der Zuschauer irgendwie noch Pfiff genug hat. "Alt Charmant Gaga" ist ein gutes Beispiel dafür.

Lady Gaga ist in China ebenso wie bekannt wie die meisten anderen internationalen Popstars. Allerdings: Gerade erst hat die Regierung erklärt, sie wolle dafür sorgen, dass die Chinesen sich im Fernsehen weniger Unterhaltungsprogramme anschauen und statt dessen mehr Nachrichten und Bildungssendungen.

Umso mehr stürzen sich viele Chinesen aufs Internet: Fast 500 Millionen nutzen nutzen das Netz inzwischen. Zwar sind Youtube, Facebook und Twitter blockiert. Aber die heimischen Klone wie Youku, Tudou oder Qiyi sind trotz versuchter Zensur eine Fundgrube, nicht nur für moralisch aufrechte Filmchen.

Wie überall auf der Welt laden auch in China Hunderttausende ihre privaten Videos oder Filme hoch, und wie überall in der Welt finden Skandale, Dramen und Krimis besonders viele Zuschauer. Zu den Top-Hits auf der Videowebsite Tudou gehörten vergangene Woche zum Beispiel ein Beitrag aus den Fernsehnachrichten, in denen ein Mann mit einem langen Messer auf Umstehende losging. Oder eine Meldung über einen Mafiaboss aus der Provinz Gansu, der mehrere Schülerinnen vergewaltigt haben soll.

Besondere Aufmerksamkeit bekam jüngst ein Überwachungsvideo aus der Stadt Foshan: Es zeigte, wie ein zweijähriges Mädchen von zwei Wagen überfahren wurde und 18 Menschen an dem schwer verletzten Kind vorbei gingen, ohne ihm zu helfen. Dies löste eine nationale Debatte aus.

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