Video gegen Erdogan: Soli-Grüße auf Chinesisch

Animationsfilmer aus Hongkong haben einen überdrehten Clip zu den Protesten in der Türkei produziert. Premier Erdogan wird darin als osmanischer Autokrat karikiert.

Erdogan als böser Second-Life-Herrscher Screenshot: youtube

Zum Schluss will die Off-Stimme von den ZuschauerInnen wissen: Finden Sie, dass Tayyip Erdogan der Turban des Sultans gut steht? Eine rhetorische Frage, denn in dem von NMA TV gedrehten und auf Youtube geposteten Animationsclip, wird zwei Minuten lang demonstriert, dass das autokratische Gehabe des türkischen Premiers absoluter Mist ist.

Das geschieht mittels völlig überspitzter Szenen: Nachdem sich Erdogan als osmanischer Herrscher installiert hat, schickt er seinen kampfuniformierten Schergen – in eine Bar, um Biergläser zu zerdeppern, und in das Schlafgemach eines einsamen Pornoguckers, um dessen PC zu schrotten. Persönlich taucht Erdogan im Kreißsaal auf, um einer hilflosen Schwangeren die geforderten drei Kinder pro Frau aus dem Unterleib zu reissen.

Schließlich der Istanbuler Gezi-Park! Erdogans simples Mall-Schema muss auch hier angelegt werden. Der zaghafte Protest der modernen Urbaniten Istanbuls wird vom Schergen des Premiers schlichtweg mit entwurzelten Bäumen niedergeprügelt. Dann kommt schließlich der Wasserwerfer. Die realen Szenen der Gewalt rund um den Taksim-Platz am vergangenen Wochenende sahen allerdings noch viel brutaler aus als ihr Re-enactment im Second-Life-Stil.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Der Anti-Erdogan-Clip wurde in der Wochenmitte gedreht, just als der Ministerpräsident zu Besuch in Marokko weilte. Die Off-Stimme unterstellt ihm, er wolle sich dort vor den Protesten verstecken, und wünscht sich, Erdogan bliebe dort noch ein Weilchen länger, während die Demonstranten der Türkei einen hipperen Anstrich verpassen: ein Energiedrink namens „Teargas“ gefällig, Herr Premier?

Erstaunlich: Man spricht Chinesisch im Clip. Denn dieser ist nicht etwa das Produkt türkischer Medienaktivisten, nein, Next Media Animation, die Macherin des demagogischen Streifens, sitzt in Hong Kong und produziert am Fließband Videos für Newsportale mit Sitz in der ehemaligen Kronkolonie und Taiwan - zumeist nur mit lokalen Inhalten.

Tiger Woods brachte den Erfolg

NMA tut dies seit 2007, nachdem Firmengründer Jimmy Lai eine Menge Geld in die Aufrüstung der Software für 3D-Computergrafik gesteckt hatte. Brauchte es zuvor Tage, um Clips mittels Computer-Generated Imagery herzustellen, konnte NMA nun innerhalb von zwei Stunden einen fertigen Film raushauen, inklusive der Nutzung von Bewegungserfassungstechnologien. Im August 2011 produzierte das 260-köpfige NMA-Team für die Hongkonger Zeitung Apple Daily ganze 30 Videos an einem Tag.

Erstmals weltweite Beachtung fand NMA mit einem Clip, der einen Autounfall von Tiger Woods direkt mit der außerehelichen Affäre des US-Stargolfers in Zusammenhang brachte. In dem Film verfolgt die damalige, hintergangene Gattin von Woods dessen SUV und schlägt mit einem Golfschläger die Heckscheibe ein, woraufhin der am Steuer sitzende Sportler gegen einen Hydranten brettert. Der Crash spielte sich natürlich so nicht ab, der NMA-Clip erreichte aber ein Millionenpublikum.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Inzwischen müssen nicht mehr nur Sport- und Showbiz-Promis in aller Welt fürchten, durch den Kakao der Hongkonger Digitalfilmbude gezogen zu werden. Jüngst enthüllte NMA etwa die intimen Geheimnisse des nordkoreanischen Diktators Kim Jong Un. Und jetzt ist erstmal Türkeis islamistischer Präsident an der Reihe.

Ein wenig scheint NMA hier über Bande zu spielen, denn der Clip kann auch als Botschaft an die Adresse der chinesischen Staatsführung verstanden werden. Schließlich jährte sich dieser Tage zum 24mal das Massaker auf dem Tiananmen-Platz in Peking. Heute setzen wir Erdogan den Turban auf, morgen aber stülpen wir Xi Jinping die Ming-Vase über, so der mögliche Subtext des Videos. Strittige Infrastrukturprojekte gibt's in China ja genug.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.