Viele Briten wollen neues Brexit-Votum: Das Recht, die Meinung zu ändern

Über 100.000 Menschen demonstrieren in London für ein neues Referendum über einen Verbleib Großbritanniens in der EU.

EU-Unterstützer*innen ziehen durch London

Sie sind viele: 100.000 Menschen demonstrierten am Samstag in London gegen den Brexit Foto: reuters

LONDON taz | Über 100.000 Menschen haben in London für ein neues Referendum über einen Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union demonstriert. Friedlich und bunt ausstaffiert zogen die Demonstrant*innen durch die Innenstadt bis zum britischen Parlament.

Neben Sprechchören gegen die Premierministerin Theresa May wurde auch der Labour-Oppositionsführer Jeremy Corbyn stark kritisiert. Aufgrund seiner der Partei vorgeschriebenen Position, den Brexit zu akzeptieren, war er in den vergangenen Wochen unter zunehmenden Druck aus eigenen Rängen geraten, inklusive von Teilen der ihn direkt unterstützenden Momentum-Bewegung.

„Fordert euer Land zurück“, rief die Aktivistin Gina Miller der Menge zu, „wir haben das Recht unsere Meinung zu ändern“. Miller hatte im vorletzten Jahr durch eine Klage vor dem Obersten Gericht durchgesetzt, dass das Parlament stärker in die Brexit-Verhandlungen einbezogen wird. Sie behauptete, dass der „Wille des Volkes“ heute nicht der Gleiche, wie vor zwei Jahren sei. Laut Meinungsumfragen der letzten Monate würden sich heute die Mehrheit aller Briten gegen den Brexit aussprechen.

Sogar die grüne Parteivorsitzende Caroline Lukas sprach vom „Stolz auf ihr Land“. Niemand habe den Brexit dafür gewählt, dass das Land ärmer werden würde, dass der Ausstieg aus der Union Arbeitsplätze, den Frieden in Nordirland, oder Umweltschutzrichtlinien gefährden würde. Die EU-Unterstützerin und konservative Abgeordnete Anna Soubry machte dabei klar, dass eine neue Wahl der Bevölkerung keine Wiederholung des ersten Referendums sei, sondern eine Wahl zu den Einzelheiten des von der Regierung noch zu schmiedenden Planes.

Wenige Hundert Brexit-Befürworter*innen

In der Menge erzählten beispielsweise die Schülerinnen Antonia Prosser und China Luckmann, beide 17, dass sie glauben, dass ältere und rassistische Menschen ihnen mit ihrer Wahl eine Zukunft der Offenheit gestohlen hätten. Sie versicherten, dass die Mehrheit in ihrer Schule so dachten. Auf der anderen Seite des Alterspektrums stellte sich der 96-jährige Veteran des Zweiten Weltkriegs, Brigadiergeneral Stephen Goddal, der Menge. Er war eigens aus Devon nach London gereist, um sich dort gegen den Brexit auszusprechen.

Der taz verriet er, dass sich nicht immer zu dem Thema geäußert hätte, doch der klaren Meinung sei, dass der Brexit „die Industrie unseres Landes zerstören wird“. Erst am Freitag hatten Airbus und BMW klar gemacht, dass sie Werke in Großbritannien schließen könnten, sollte es keine Klarheiten bezüglich des Brexits geben.

Hinter einer massiven polizeilicher Sicherheitsabsperrung stellten sich wenige Hundert Brexit-Befürworter*innen den 100.000 Demonstrierenden entgegen. Die meisten sind der rechtsradikalen Szene zuzuordnen, außerdem waren die winzigen Überreste der kollabierten Brexitpartei Ukip anwesend. Einer der Redner behauptete, dass ein Fest des Fastenbrechens in London vom muslimischen Bürgermeister Sadiq Khan absichtlich an dem britischen „Unabhängigkeitstag Großbritanniens“ – dem Jahrestag des Brexit-Referendums – organisiert worden sei.

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