Vierzig Bäume weniger: Schnell gesägt ist halb gebaut

AnwohnerInnen bemühen sich vergeblich, das Umlegen einer Baumreihe zu verhindern, das sie für illegal halten.

"Baumpflege" unter Polizeiaufsicht: gestern am Bremer Buntentorsteinweg. Bild: Henning Bleyl

Wie riesenhafte Blumensträuße wandern die Baumkronen durch die Luft. Gepackt von einem gewaltigen Arm, auf dem „www.baumpflege-im-norden.de“ steht. Stück für Stück stopft er die Bäume in ebenso gewaltige Container, beobachtet von einem Grüppchen AnwohnerInnen, denen zum Teil Tränen über die Wangen laufen. Der Weg für die komplette Bebauung des Areals zwischen Buntentorsteinweg und Hardenbergstraße, auf dem sich ein Rewe-Markt samt Parkplatz befand, ist nun frei.

Ob dabei alles mit rechten Dingen zugeht, ist umstritten. Petra Redert, die im angrenzenden Beginenhof wohnt, winkt mit einem Lageplan, der Teil der Baugenehmigung sei: „Hier ist klar gekennzeichnet, welche Bäume stehen bleiben müssen“, ruft sie. Die AnwohnerInnen fühlen sich überrumpelt. Um zehn vor sechs habe es „gewaltig zu rumpeln“ begonnen, berichtet eine Nachbarin, am Vormittag sind bereits 18 Stämme umgesägt. Mittlerweile hat sich ein gutes Dutzend AnwohnerInnen auf den anliegenden Garagendächern versammelt, hält Transparente hoch und fordert den sofortigen Fällstopp. Dann besteht die Polizei darauf, dass die DemonstrantInnen wieder herunter klettern. Nur das Schuppendach der Stadtkommune Alla Hopp bleibt zugänglich.

Immerhin: Die Polizei nimmt den Protest ernst. Eine leitende Beamtin bemüht sich engagiert um Vermittlung, sie will ein Gespräch zwischen den DemonstrantInnen und der Bauleitung zu Stande bringen – was letztere aber ablehnt. Dafür erscheint ein Vertreter des Bauamts. Gestikulierend steht er mit Polizisten und Architekten auf der Baustelle, man beugt sich über Pläne. „Wir haben zunächst einen vorübergehenden Baustopp verhängt“, bestätigt später ein Sprecher des Bauressorts.

Die Sägeleute machen es sich derweil gemütlich, Picknick-Pause auf den schon vorhandenen Stümpfen. „Hat euch denn keiner gesagt“, ruft einer in Richtung Schuppendach, „dass wir heute kommen?“. Hat keiner. Im Gegenteil: „Der Investor hat wiederholt betont, dass er die Baumreihe nach Möglichkeit erhalten möchte“, sagt die Neustädter Ortsamtsleiterin Annemarie Czichon am Telefon. Erst gestern in der Frühe wurde das Ortsamt davon in Kenntnis gesetzt, dass nun doch der Kahlschlag kommt. Pünktlich zum ersten Oktober, dem Ende der Sommerruhe.

Auf dem Gelände sollen 100 Wohnungen entstehen, außerdem ein vergrößerter Rewe-Markt. Bauträger Justus Grosse will insgesamt 25 Millionen Euro für das neue „Deichtor“ investieren. Vier mal hat sich der Beirat Neustadt mit dem Vorhaben befasst, zuletzt im April – und ein ablehnendes Votum formuliert.

Ein Vetorecht hat das Stadtteilparlament jedoch nicht. Baurechtlich, meint die Ortsamtsleiterin, sei die gestrige Fällaktion nicht zu beanstanden, die Pappeln und Weiden seien auch nicht durch die Baumschutz-Satzung geschützt gewesen. Das sieht nun auch das Bauressort so: Am Mittag wurde der Baustopp wieder aufgehoben, am Abend war die Arbeit getan – rund vierzig Bäume containerisiert. „Wir gehen aber davon aus“, sagt der Ressortsprecher, „dass wieder neue Bäume gepflanzt werden.“

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