Virologe Osterhaus über die Schweinegrippe: "Es gibt noch keine Immunität"

Der Virologe Albert Osterhaus hat das Vogelgrippevirus entdeckt. Nun warnt er vor dem neuen Virustyp aus Mexiko, glaubt aber an eine Chance, die globale Ausbreitung der Schweinegrippe einzudämmen.

Ein nachgezüchtetes Virus der Spanischen Grippe von 1918: Der neue Erreger weist Parallelen, aber auch eklatante Unterschiede auf. Bild: dpa

Albert Osterhaus, 60, leitet das Virologielabor der Rotterdamer Erasmus-Uni. Er entdeckte 1997 das H5N1-Vogelgrippevirus und war an der Entdeckung des Sars-Erregers beteiligt.

taz: Herr Professor Osterhaus, wie groß ist das Risiko, dass von der Schweinegrippe in Mexiko eine Pandemie ausgeht?

Albert Osterhaus: Über die Lage in Mexiko bin ich besorgt, aber ich glaube, es gibt noch eine Chance, die globale Ausbreitung der Schweinegrippe einzudämmen. Wir müssen jedoch alles unternehmen, was in unseren Kräften steht. In Mexiko und den USA werden dazu bereits wichtige Schritte unternommen, aber auch in Europa und den anderen Ländern müssen wir sehr wachsam sein. Reisende, die aus Mexiko kommen, müssen beobachtet und im Fall einer Infektion umgehend mit antiviralen Medikamenten behandelt werden. Wenn dann alles so wie vorgesehen läuft, dann ist dieser Ausbruch beherrschbar.

Was ist aus virologischer Sicht so gefährlich an dem Virus aus Mexiko, das ja dem normalen H1N1-Virus der menschlichen Grippe sehr ähnlich ist?

Mit dem menschlichen Grippevirus hat das mexikanische Virus nicht viel gemeinsam. Es handelt sich hier um ein neuartig zusammengesetztes Virus, eine komplexe Mischung aus dem Virus der Schweinegrippe, der menschlichen Grippe und einem noch unbekannten Virus. Wir wissen noch nicht, woher es eigentlich kommt. Sicher ist nur, dass es nicht direkt von einer Art abstammt.

Es besteht also ein grundlegender Unterschied zwischen dem mexikanischen Grippevirus und dem einer normalen Grippe, die nach Schätzungen allein in Deutschland für einige tausend Todesfälle im Jahr verantwortlich ist?

Hier haben wir es ganz sicher mit einem anderen Virus als dem der jahreszeitlichen Grippe zu tun. Was wir erleben, ist die Entstehung eines anderen Grippevirus. Es handelt sich hier um ein neuartig zusammengesetztes Virus. Das macht es uns derzeit so schwer. Denn dieser Virus ist beim Menschen bisher nicht aufgetaucht. Weil dieses Virus so anders ist, gibt es in der Bevölkerung auch noch keine Immunität gegen das mexikanische Virus, das macht es so gefährlich.

Gibt es zwischen diesem neuen Virus und der Vogelgrippe eine Verbindung?

Nein, es gibt keine direkte Verbindung zum Vogelgrippevirus H5N1. Allerdings haben alle bekannten Varianten vom Virustyp Influenza A, um den es sich hier handelt, gemein, dass sie ursprünglich von Vogelviren abstammen.

Lässt sich die mexikanische Schweinegrippe medikamentös erfolgreich behandeln?

Ja. Das Virus ist zwar gegen ältere Grippemedikamente resistent, modernere antivirale Arzneien wie zum Beispiel Tamiflu und Relenza sind jedoch wirksame Gegenmittel.

In einigen Medien werden Vergleiche mit historischen Grippepandemien wie der Spanischen Grippe gezogen. Sind diese Befürchtungen berechtigt?

Es gibt Parallelen, aber auch Unterschiede. So wie bei der spanischen Grippe handelt es sich auch in Mexiko um ein Influenza-A-Virus vom Typ H1N1, aber es ist anders aufgebaut. Eine weitere Gemeinsamkeit ist, dass unter den Toten in Mexiko viele junge Menschen im Alter zwischen 20 und 40 Jahren zu sein scheinen, aber dazu gibt es noch keine belastbaren Zahlen. Bei einer gewöhnlichen Grippewelle sterben vor allem alte und durch andere Krankheiten bereits geschwächte Menschen. Andererseits scheint die Mortalität in Mexiko, also die Zahl der Todesfälle im Vergleich zur Zahl der Infizierten, relativ gering zu sein. Das spricht auch für einen glimpflichen weiteren Verlauf.

Profitieren wir denn jetzt von den Vorbereitungen, die vor drei Jahren durch den Ausbruch der Vogelgrippe ausgelöst wurden?

Absolut. Die Vogelgrippe hat einen Schub bei der Entwicklung von antiviralen Medikamenten ausgelöst, der uns jetzt zugutekommt. Außerdem tragen nun auch die internationalen Absprachen Früchte, die getroffen wurden, um in den nächsten drei bis sechs Monaten einen Impfstoff zu entwickeln. Dank dieser Erfahrungen gibt es nun auch Konzepte für Impfstoffe mit Breitbandwirkung, die schon vor dem Ausbruch einer Pandemie verabreicht werden können.

Mit welchem Gefühl blicken Sie jetzt in die Zukunft?

Ich teile die Besorgnis, die die Generaldirektorin der Weltgesundheitsorganisation, Margaret Chan, geäußert hat. Jeder neue Subtyp des menschlichen Grippevirus, gegen den es keine Immunität gibt und der sich schnell verbreitet, ist eine ernst zu nehmende Bedrohung. Wir sollten sie nicht unterschätzen.

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