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Amerika

Völkermordprozess in Guatemala „Immer wieder Drohungen“

Die Berlinerin Stella Thuns schickt Freiwillige nach Guatemala. Sie sollen dort Zeugen im Prozess gegen das ehemalige Militärregime beschützen.

Der Jubel im Gerichtssaal war groß, als am Freitag das Urteil gegen Exdiktator Ríos Montt fiel. Bild: ap

taz: Frau Thuns, ihre Organisation CAREA e.V. schickt seit 2004 Freiwillige nach Guatemala. Sie leben dort bei Zeugen im Genozidprozess gegen die frühere Militärregierung. Warum?

Stella Thuns: Zur Abschreckung gegen Angriffe auf die Zeugen. Wenn westliche Ausländer vor Ort sind und im Zweifelsfall die Öffentlichkeit informieren, dann treibt das die Kosten für politisch motivierte Gewalt in die Höhe. Die Idee stammt von den Zeugen selbst: Als 2001 die ersten Klagen eingereicht wurden, gab es Drohungen. Sie wandten sich an internationale Menschenrechtsorganisationen und baten darum, ihnen internationale Begleiter zur Seite zu stellen.

Hat das funktioniert?

Gegen die Zeugen gab und gibt es immer wieder Drohungen. Getötet wurde aber keiner.

Und ist den Begleitern je etwas zugestoßen?

Nein.

Wie viele Freiwillige habe sie nach Guatemala geschickt?

Die Begleiter kommen aus zehn verschiedenen Ländern, insgesamt waren es bisher rund 400. Von CAREA kamen seitdem etwa 20.

Der Prozess gegen Ríos Montt ist seit Freitag vorbei. Der Exdiktator wurde zu 80 Jahren Haft verurteilt. Beenden Sie Ihr Projekt jetzt?

Nein. Erstens stehen noch eine Reihe weiterer Prozesse an. Und zweitens begleiten unsere Freiwilligen auch Gewerkschafter und bedrohte Menschenrechtsaktivisten in Guatemala, denn die leiden dort ebenfalls unter Angriffen und Repression.

Entstehen nicht finanzielle Abhängigkeiten, wenn man über viele Jahre relativ wohlhabende Ausländer zu Familien in bitterarme Gegenden schickt?

Das versuchen wir zu verhindern. Festgelegt ist: Außer den Unkosten für das eigene Essen darf man nichts einbringen. Und trotzdem kommen die Begleiter natürlich in schwierige Situationen, etwa in Notfällen.

Zum Beispiel?

Wenn man bei den Leuten lebt, eine Beziehung zu ihnen aufbaut, und dann hat der Sohn hat eine Verletzung und es ist kein Geld für den Arzt da, wird man natürlich gefragt: Könnt ihr nicht helfen?

Was tun Sie dann?

Es ist schwierig, man kommt in eine Grauzone. Aber man muss dann sagen, man kann das nicht leisten

Wie bewerten Sie das Urteil gegen Ex-Diktator Montt? 

Zum ersten Mal wurden die politisch Verantwortlichen für die Kriegsverbrechen von einem Gericht bestraft. Das war lange undenkbar. Es macht große Hoffnung auf eine umfassende Aufarbeitung des Krieges in Guatemala.