Volksbegehren erfolgreich: Brandenburg stimmt für Nachtruhe

Der Streit um Fluglärm wird die Politik weiter beschäftigen. Nach einem erfolgreichen Volksbegehren könnte es zum Volksentscheid kommen.

Endlich darf gejubelt werden: Fluglärmgegner bei der Abstimmungsparty am Montagabend Bild: dapd

Für die Befürworter eines strikten Nachtflugverbots zwischen 22 und 6 Uhr am Flughafen BER war der Montagabend ein Triumph: 106.332 gültige Unterschriften unterstützten das Volksbegehren im Land Brandenburg. Die nötige Menge von 80.000 Unterschriften wurde damit auch für die Initiatoren überraschend deutlich übertroffen. „Wir waren uns sicher, dass wir die nötige Menge schaffen“, sagte Matthias Schubert vom Aktionsbündnis Berlin-Brandenburg.

Mehrere hundert Anwohner, Mitglieder von Bürgerinitiativen, Helfer und Kommunalpolitiker feierten den Erfolg bei einer Wahlparty im Rathaus von Teltow. Dabei konnten sie die entscheidende Zahl anfangs gar nicht hören, weil der live-übertragende rbb aus Furcht vor einer Rückkopplung den Ton abgestellt hatte. Umso größer war dann der Jubel als die Erfolgsmeldung die Runde machte. Bei einigen der Unterschriftensammler in den besten Jahren kullerten sogar ein paar Tränen. Endlich hatten sie etwas erreicht.

Denn die letzten Monate waren für Fluglärmgegner eher frustrierend: In Berlin war ein Volksbegehren gegen Nachtflüge gescheitert. Den Initiatoren fehlten Ende September zum nötigen Quorum von 172.000 Stimmen etwa 20.000 Unterschriften. Außerdem scheiterten mehrere Gemeinden mit einer Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss vor dem Leipziger Bundesverwaltungsgericht. Sie hatten moniert, vor Jahren Flugrouten zugestimmt zu haben, die nun ganz anders verlaufen.

Volksbegehren haben es in Brandenburg nicht leicht. In dem dünn besiedelten Flächenland müssen Abstimmungswillige zum Amt gehen. Straßensammlungen sind verboten. Es kann per Brief abgestimmt werden. Das Verfahren hat drei Stufen: Für eine Volksinitiative sind 20.000 Unterschriften nötig. Findet die Volksinitiative im Landtag anschließend keine Mehrheit, kann es ein Volksbegehren geben. Dafür sind dann 80.000 Unterschriften nötig. Sechs Monate lang darf gesammelt werden. Dann muss der Landtag erneut beraten. Lehnt er mehrheitlich ab, gibt es einen Volksentscheid. Dann braucht der Vorschlag eine Mehrheit und mindestens die Stimmen von einem Viertel aller Stimmberechtigten.

Bindend ist das Volksbegehren indes nicht. Es hat lediglich zur Folge, dass sich der Landtag mit dem Thema nochmals beschäftigen muss. Zunächst beraten die Fraktionen über das Ergebnis. Deren Haltung ist nicht einheitlich. In etlichen Parteien gibt es sowohl Befürworter als auch Gegner eines verschärften Nachtflugverbots. Derzeit gilt eine grundsätzliche Ruhezeit nur von 0 bis 5 Uhr. Nur die Bündnisgrünen nehmen hier bisher eine klare Position ein und wollen die Durchsetzung. Das Nachtflugverbot sei nötig, damit die Belastung für Menschen in dicht besiedelten Gebieten so gering wie möglich bleibe, so der Bündnisgrüne Landesvorsitzennde Benjamin Raschke. Allerdings fordern die Grünen auch, bei einer möglichen Abstimmung im Landtag durch einen Zusatz klarzustellen, dass bestehende Regionalflugplätze in Brandenburg nicht für planmäßigen Flugverkehr erweitert werden dürfen. Die oppositionelle CDU sucht noch nach einem Standpunkt. Fraktionschef Dieter Dombrowski teilte mit, die Fraktion werde das Anliegen des Volksbegehren ernsthaft prüfen. Das hatte auch die mit der SPD regierende Linke bereits im Vorfeld angekündigt. Nun möchte sie auf der Bundesebene strengere Nachtflugregeln fordern.

Den Sozialdemokarten selbst stehen wohl harte Auseinandersetzungen bevor. Brandenburgs SPD-Fraktionschef Ralf Holzschuher lehnt ein striktes Nachtflugverbot am künftigen Hauptstadtflughafen trotz des erfolgreichen Volksbegehrens weiter ab. Doch kommen zahlreiche führende Köpfe des Volksbegehrens aus den eigenen Reihen. Dazu zählen auch die Bürgermeister der in der Einflugschneise liegenden Kommunen wie Teltow oder Kleinmachnow.

„Ministerpräsident Platzeck muss nun auf sein Volk zugehen“, sagte der Sprecher der Volksinitiative und Kleinmachnower SPD-Vorsitzende Matthias Schubert am Montagabend. „Wir wissen, wie es geht. Wir wissen, wie sich ein Sieg anfühlt. Herr Platzeck, Herr Wowereit, wenn ihr einen Volksentscheid wollt, könnt ihr ihn haben.“ Das Selbstbewusstsein der Fluglärmgegner ist gewachsen. Das Thema könnte nach einer Prüfung durch das Landtagspräsidium schon im Januar auf der Tagesordnung des Parlaments landen. Sperrt sich die Mehrheit der Abgeordneten gegen ein striktes Nachtflugverbot, kommt es innerhalb von fünf Monaten zum Volksentscheid. Dabei dürfte ein Erfolg für das Nachtflugverbot allerdings deutlich schwerer zu erzielen sein: Ein Viertel aller Wahlberechtigten müsste zustimmen. Das wäre etwa eine halbe Million Menschen. Deshalb gab es bei aller Feierlaune auch skeptische Stimmen: „Ein Volksentscheid wäre hart für uns. Da bräuchten wir die Solidarität aus anderen Teilen Brandenburgs“, so der Teltower Bürgermeister Thomas Schmidt (SPD).

Andererseits gab es vorher auch noch nie ein erfolgreiches Volksbegehren im Land Brandenburg. Bei den sieben vorangegangenen Versuchen bekam das Volksbegehren gegen den Bau der Transrapidstrecke Hamburg-Berlin im Jahr 1997 mit etwa 70.000 Unterschriften die meiste Unterstützung. Der Zuspruch war diesmal in den betroffenen Gebieten südlich von Berlin am größten. Allein aus der direkt hinter den Start- und Landebahnen liegenden Gemeinde Blankenfelde kamen 10.295 Unterschriften. Auch in Kommunen wie Zeuthen, Kleinmachnow oder Stahnsdorf lag die Beteiligung um die 50 Prozent. Auch aus Potsdam kamen fast 10.000 Unterschriften – was allerdings bei mehr als 130.000 Berechtigten einer deutlich niedrigeren Quote entspricht. Landesweit stimmten 5,15 Prozent der Wahlberechtigten ab. In Berlin wäre das Volksbegehren damit gescheitert. Hier sind sieben Prozent Zustimmung für ein erfolgreiches Volksbegehren nötig.

Selbst eine erfolgreiche Volksabstimmung in Brandenburg würde den Fluglärmgegnern nicht zwingend mehr Nachtruhe bescheren. Brandenburg müsste den Staatsvertrag mit Berlin ändern. Außerdem ist das Fluglärmgesetz Sache des Bundes.

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