Volksentscheid übers Grundeinkommen: Stinkt Geld aus Amerika besonders?
In Hamburg macht ein Newsletter Stimmung gegen das Volksbegehren für einen Grundeinkommens-Versuch – weil auch eine US-Stiftung dahintersteht.

N och drei Wochen, dann können die Hamburger:innen darüber entscheiden, ob ihre Stadt einen dreijährigen Modellversuch mit einem bedingungslosen Grundeinkommen startet – und finanziert, mit immerhin fast 50 Millionen Euro aus dem Steuersäckel.
Nun hat eine Debatte darüber begonnen, wer die Kampagne finanziert hat, die zu diesem Volksentscheid geführt hat – losgetreten vom „Hamburger Tagesjournal“, eigentlich ein per E-Mail vertriebener News-Aggregator, der im Wesentlichen Links zu anderen Medien mit bisweilen spitzen Bemerkungen garniert; und dankbar aufgegriffen von der Welt.
Das Geld kommt nämlich zum großen Teil von drei Stiftungen, die – Skandal! – gar nicht in der Stiftungshauptstadt Hamburg ansässig sind. Die bekannteste unter ihnen ist die des verstorbenen DM-Drogeriekettengründers Götz Werner, der schon vor Jahrzehnten für ein Grundeinkommen gestritten hat.
Ein besonderer Dorn im Auge ist dem Tagesjournal jedoch die Eutopia Foundation des deutschstämmigen Investors Albert Wenger mit Sitz in Wilmington, North Carolina. Auch der beschäftigt sich seit langer Zeit mit der Frage, wie die Verteilung von Einkommen nach der Arbeitsgesellschaft organisiert werden kann, ist also thematisch stark motiviert. Für das Zustandekommen des Grundeinkommens-Entscheids hat er 200.000 Euro in die Hand genommen, nicht ganz ein Drittel des Gesamtbudgets.
Ist ausländisches Geld schlimm, oder schon auswärtiges?
Aber darf „ausländisches Geld“ Einfluss auf Gesetzgebung in Hamburg nehmen, fragt das Tagesjournal, das immer seltener ohne einen antiamerikanischen Seitenhieb auskommt. Oder, so der Subtext in der Welt, ist nicht schon Geld aus Berlin, Bochum oder Karlsruhe irgendwie zu auswärtig für unser schönes Hamburg?
Joy Ponader, Grundeinkommens-Aktivistin
Man muss nicht derartig borniert sein, um Fragen nach der Finanzierung von Volksentscheiden relevant zu finden. „Das ist ein heikles Thema“, sagt Michael Heering, aktiv im Verein Mehr Demokratie, der die Volksgesetzgebung in Hamburg in der heutigen Form erst durchgeboxt hat – per Volksentscheid. „Wir finden es fragwürdig, dass eine Institution aus den USA das Volksbegehren für den Grundeinkommens-Versuch unterstützt. Denn man weiß nicht, aus welchen Motiven das geschieht.“
Die Finanzierung von Volksentscheiden ist in Hamburg, anders als die Parteienfinanzierung, praktisch gar nicht geregelt. Im Gesetz steht nur, dass keine Staatsknete reinfließen darf und dass Zuwendungen oberhalb von 2.500 Euro im Rechenschaftsbericht transparent gemacht werden müssen.
Ohne Großspender:innen sei ein Volksentscheid praktisch nicht zu stemmen, heißt es von der Initiative „Hamburg testet Grundeinkommen“, vor allem wegen der hohen Quorums-Hürden und engen, starren Fristen. „Unter dem Strich überwiegen immer noch die Hemmungen der direkten gegenüber der parlamentarischen Demokratie“, sagt Aktivistin Joy Ponader.
Theoretisch könnte man sich einen Volksentscheid kaufen
Auch wenn es beim Grundeinkommen ganz anders ist: Theoretisch könnte sich ein Milliardär von irgendwo einen Volksentscheid in Hamburg „kaufen“, ein paar Hundert Millionen für ein populistisches Thema in die Hand nehmen, eine Armee gut bezahlter Stimmensammler in Marsch schicken, die gezielt in anhand soziodemografischer Daten ausgewählten Quartieren Kampagne machen.
Wenn er zufällig auch noch einen weltweit verbreiteten Kurznachrichtendienst besäße, würde das die Sache sicher erleichtern. Es wäre dann an den Hamburger:innen, dagegen zu mobilisieren und an der Urne zu entscheiden, dass der Gesetzentwurf nicht durchkommt.
Der Stadtstaat Hamburg ist ein gutes Pflaster für so was: Er ist klein und kompakt genug, um die Ausgaben in Grenzen zu halten, verspricht aber durch seinen Status als Bundesland große Aufmerksamkeit. Und er hat eine vergleichsweise weit reichende Volksgesetzgebung.Das wiederum haben auch die Grundeinkommens-Fans verstanden.
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