Volksentscheid zum Flächenfraß in Hamburg: Lagerhallen fressen Stadt auf

Der Nabu will einen Volksentscheid vorbereiten, um Hamburgs Grün zu erhalten. Jedes Jahr wird eine Fläche von zwei Dritteln der Außenalster zubetoniert.

Hätte nach den Vorstellungen von Umweltschützern nicht gebaut werden sollen: Kühne+Nagel-Halle in Obergeorgswerder. Foto: Daniel Reinhardt/dpa

HAMBURG taz | Der Naturschutzbund (Nabu) strebt einen Volksentscheid gegen den Flächenfraß an. Wie die Mitgliederversammlung beschlossen hat, soll eine Volksinitiative vorbereitet werden mit dem Ziel, „Hamburgs Grün mindestens zu erhalten“. Das kollidiert mit den Plänen des rot-grünen Senats, der sich darauf einstellt, dass bis 2030 weitere 100.000 Menschen nach Hamburg ziehen werden, wie Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) der Zeit sagte.

Der Nabu-Vorsitzende Alexander Porschke warf dem Senat eine Salamitaktik vor. In Sonntagsreden werde die grüne Stadt gelobt, tatsächlich aber hier eine Ecke vom Landschaftsschutzgebiet abgetrennt und dort eine Feuchtwiese zubetoniert. „Die einzelnen Eingriffe werden bagatellisiert“, sagt Porschke. Unterm Strich verschwänden aber jedes Jahr große Flächen unter Asphalt und Stein.

Nach Senatsangaben ist in den vergangenen 15 Jahren auf diese Weise Jahr für Jahr eine freie Fläche verschwunden, die größer ist als die Binnenalster. Weil die Grundstücke unterschiedlich dicht bebaut sind, ist aber nur ungefähr die Hälfte davon im engeren Sinne versiegelt, also tatsächlich bedeckt.

Der Grünflächenverbrauch hat sich in den letzten fünf Jahren durch den Wohnungsbau noch zugespitzt: Ziel des Senats ist es, jedes Jahr 10.000 statt bisher 5.000 Wohnungen zu bauen. Im vergangenen Jahr hat er allein 12.000 genehmigt. Dazu kommen Industriebauten, Logistikzentren und Straßen.

Die Siedlungs- und Verkehrsfläche hat 2000 bis 2014 jährlich um 196 Hektar zugenommen.

Der Versiegelungsgrad ist jedoch verschieden: Bei Gleisanlagen wird er etwa mit 50 bis 60 Prozent angesetzt, bei Gewerbeflächen mit 80 bis 90 Prozent.

Die tatsächlich versiegelte Fläche nahm von 1999 bis 2012 um zwei Prozent (1.500 Hektar) zu – um gut 100 Hektar im Jahr.

Die Außenalster ist 160 Hektar groß.

„Es ist die Summe, der einzelnen Teile, die zum Problem geworden ist“, sagt Porschke. Er kritisiert, dass sich der Senat vielerorts nicht mehr an lange Zeit geltende städtebauliche Grundsätze halte, etwa das Fächerkonzept des ehemaligen Oberbaudirektors Fritz Schumacher, das eine Bebauung entlang von Entwicklungsachsen vorsieht, mit grünen Freiflächen dazwischen.

Der Nabu schlägt vor, diese Entwicklungsachsen zu verlängern, statt dazwischen zu bauen. Er fordert, höher zu bauen und Einfamilienhaussiedlungen zu verdichten. Einstöckige Supermärkte und Lagerhallen müssten der Vergangenheit angehören.

Auch der Senat versucht, dem absehbaren Ausverkauf der Flächen entgegen zu steuern. Die Stadtentwicklungsbehörde lässt Brachflächen, Höfe und ehemalige Bahn- oder Industrieareale bebauen.

Die Umweltbehörde unter der Führung des Grünen Jens Kerstan hat vor einem halben Jahr den „Naturcent“ durchgedrückt: Für neue Gebäude muss eine Abgabe bezahlt werden: umso höher, je dichter gebaut und je mehr versiegelt wird. Mit dem Geld sollen Parks und Naturschutzgebiete gepflegt werden – eine sinnvolle Sache, wie Porschke findet.

Außerdem hat Kerstan vor drei Jahren ein Förderprogramm für begrünte Dächer aufgelegt. 55 Hektar sind seither durch das Programm und durch Vorgaben in Bebauungsplänen begrünt worden – 100 sollen es bis 2020 werden.

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