Volksrepublik China wird 70: Pomp in Peking, Haue in Hongkong

Die Volksrepublik China feiert am 1. Oktober ihr 70-jähriges Bestehen. In der Hauptstadt gibt es Paraden, in Hongkong planen Protestler den Showdown.

Chinas Präsident Xi Jinping in der Großen Halle des Volkes

Festakt zur brisanten Zeit: Chinas Präsident Xi Jinping in der Großen Halle des Volkes Foto: ap

BERLIN taz | An diesem ersten Oktober dürften zwei konträre Botschaften aus China um die Welt gehen. In der Hauptstadt Peking wird sich die seit genau 70 Jahren alleinherrschende Kommunistische Partei mit einer großen Militärparade selbst feiern. Sie wird die gesamte Volksrepublik unter ihrer Führung als modern, geeint und stark präsentieren wollen. In der autonomen südchinesischen Sonderzone Hongkong werden im Kontrast dazu Zehntausende Demonstranten mit ihrer Forderung nach demokratischen Reformen die Pekinger Jubelstimmung stören. Sie wollen mit einem „Tag der Trauer“ darauf verweisen, dass es in der früheren Kronkolonie nichts zu feiern gibt, seit sie 1997 unter Pekings Hoheit kam.

Hongkongs Behörden haben am Montag die Demonstration verboten. Der Berufungsantrag der Civil Human Rights Front (CHRF), an Chinas Nationalfeiertag mit schwarzer Trauerkleidung durch das Stadtzentrum zu marschieren, wurde abgewiesen. Die Polizei verhängte das Verbot wegen befürchteter Ausschreitungen. „Von 1997 bis heute, in einer kurzen Zeit von rund 20 Jahren, hat Hongkong bereits einen Zustand erreicht, wo wir nicht einmal mehr demonstrieren dürfen. Wir werden immer mehr wie Peking“, sagte CHRF-Sprecher Jimmy Sham Tsz-kit der South China Morning Post.

In den letzten Wochen sind mit Verweis auf mögliche Gewalt schon mehrere Großdemonstrationen verboten worden. Trotzdem fanden stets Proteste statt. Dabei kam es häufig zu Scharmützeln bis hin zu größeren Straßenschlachten. Dies passiert fast automatisch, wenn die stark in die Kritik geratene Polizei das Demonstrationsverbot unbedingt gewaltsam durchsetzen will. Doch gibt es inzwischen auch einige tausend Demonstranten, die den langjährigen friedlichen Widerstand gegen Pekings wachsenden Einfluss in Hongkong als gescheitert empfinden und meinen, sich nur noch gewaltsam wehren zu können.

Zuletzt war am Samstag eine Demonstration der CHRF zur Erinnerung an den fünften Jahrestag der sogenannten Regenschirmbewegung – eine letztlich gescheiterte Vorläuferin der jetzigen Protestbewegung – genehmigt worden. Auch diese Demo endete in Scharmützeln. Eine weitere Demonstration am Sonntag war verboten worden. Protestiert wurde trotzdem. Am Ende warfen Demonstranten Molotowcocktails, die Polizei setzte Tränengas und Wasserwerfer ein. Eine deutlich als Pressevertreterin gekennzeichnete indonesische Journalistin wurde von einem Gummigeschoss der Polizei, das gezielt in eine Reportergruppe gefeuert worden war, ins Gesicht getroffen.

Feuerwerk abgesagt

Am Montag wurden in Hongkong zwei prominente Aktivisten festgenommen. Dies wird als Versuch der Einschüchterung der Demonstranten gewertet. Es könnte aber auch nach hinten losgehen und die Empörung anheizen. Aus Sorge vor Protesten am Dienstag hat Hongkongs Regierung bereits das Feuerwerk am Victoria Harbour abgesagt und die Feierlichkeiten herabgestuft. Die traditionelle Flaggenzeremonie wurde in eine Halle verlegt. Die bereits mehrfachen Zerstörungen der roten Nationalflagge der Volksrepublik mit den fünf gelben Sternen durch Hongkonger Demonstranten sind für Chinas nationalistische Regierung eine große Schmach. In Hongkong haben deshalb am Wochenende prochinesische Kräfte verkündet, die Nationalflaggen schützen zu wollen. Das könnte zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit Demonstranten führen, wie es sie schon mehrfach gab.

Beamte, mit Windeln ausgestattet, wurden zum Jubeln abkommandiert

Auf dem chinesischen Festland und insbesondere in der Hauptstadt ist dagegen kaum mit Protesten zu rechnen. Die Regierung hat sich seit Wochen mit großen Sicherheitsvorkehrungen auf die Feiern in Peking vorbereitet, zu denen auch Hongkongs umstrittene Regierungschefin Carrie Lam mit einer 250-köpfigen Delegation kommen wird. In der Umgebung von Pekings zen­tralem Platz des Himmlischen Friedens, wo die Militärparade stattfinden wird, wurden Checkpoints errichtet, um den Zugang streng kontrollieren zu können.

Wochenlang haben Soldaten für die große Parade geübt. Zehntausende Beamte und Studenten, nach einem Bericht des Parteiblattes Global Times teilweise mit Windeln ausgestattet, wurden zum Jubeln abkommandiert. Zum Einsatz kommen am Dienstag laut Verteidigungsministerium 15.000 Soldaten, 160 Flugzeuge und 580 Militärgeräte wie Panzer. Beobachter mutmaßen aufgrund von Satellitenbildern, dass China seine neueste Interkontinentalrakete und eine Überschalldrohne zeigen könnte.

Chinas Partei- und Staatschef Xi Jingping wird die zen­trale Rede halten. Die Feiern sind ganz auf ihn zugeschnitten, den mächtigsten Führer der Volksrepublik seit Mao Tse-tung. Am Montag besuchte Xi das Mao-Mausoleum am Tiananmen-Platz und verneigte sich laut Nachrichtenagentur Xinhua dreimal vor dessen einbalsamierter Leiche.

Bisher hat die KP keine allzu große Sorge, dass Hongkongs Proteste aufs Festland überspringen. Sie hat die Lage dort – auch dank Zensur und Überwachung – im Griff. Doch die Proteste untergraben auch Xis Autorität, je länger sie andauern. Bisher waren sich Beobachter einig, dass der 1. Oktober Hongkong schützt. Denn um ihre Feier nicht zu belasten, würde die KP bis dahin nicht mit Gewalt in Hongkong eingreifen. Ob sich das danach ändert, dürfte auch vom Verlauf des Tages abhängen.

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