Vom Wohnungsbau zum Wohnungsklau: Entwertete Bauten

Beim Verkauf der Siedlung am Nüßlerkamp in Bramfeld unterließ es die Stadt 2009, die Häuser zu räumen. Seitdem kämpfen die Mieter für ihre Wohnform

Eingeschworen: Mieter aus dem Nüßlerkamp Bild: Hendrik Doose

HAMBURG taz | Am Nüßlerkamp in Bramfeld kämpfen die letzten sieben Mieter einer Siedlung aus der Nachkriegszeit gegen den Abriss und für ihre Idee von sozialer Wohnungsbaupolitik. Einer von ihnen ist Michael Abromeit. Vor über 20 Jahren zog er in die ofenbeheizte 30-Quadratmeter-Einraumwohnung mit Garten, damals noch als Student. Heute will er sein Zuhause – für 160 Euro warm – nicht mehr verlassen.

Über die Jahre sind die verbliebenen Mieter zur eingeschworenen Gemeinschaft geworden. Der Kampf um den Erhalt der schlichten Nachkriegsbauten ist, wie sie sagen, längst auch einer um ihre Existenz. Nach zwei Brandanschlägen und drei Kündigungen droht ihnen nun die Räumung. Aus Sicht der Wohnungsgesellschaft Sahle Wohnen, die die Häuser 2009 von der Stadt kaufte, verhindern sie den Bau günstiger Wohnungen für 43 Familien.

Gebaut wurde die Siedlung Ende der 1940er Jahre. Die 60 funktionalen Kleinwohnungen des „Simplex-Typs“ galten als Vorzeige-Projekt bei der Bekämpfung der Wohnungsnot. Weil die Häuser für die Stadt nicht mehr auf der Höhe der Zeit waren, verkaufte sie das Grundstück für 1,35 Millionen Euro an die Sahle Wohnen – zur Neubebauung.

Doch anders als in den Verträgen verabredet, ließ die Stadt die Häuser nicht räumen, sondern übergab sie mitsamt Mietern an den neuen Eigentümer. Um die bereits entmieteten Wohnungen unbewohnbar zu machen, ließ die Sahle Wohnen dann Türen und Zargen herausbrechen.

Der Vorwurf, dass ihre Wohnform anachronistisch sei, stößt bei den Mietern auf Unverständnis. „Unzeitgemäß ist es doch wohl eher, wenn in Hamburg Singlewohnungen abgerissen werden“, sagt einer der Mieter, Christian Lehmann. Die würden bei so vielen Singlehaushalten doch dringend gebraucht. Ginge es nach den Wünschen der Mieter, sollte die Stadt die Häuser zurückkaufen. Damit könne sie endlich ein Zeichen gegen die Vernichtung von günstigem Wohnraum setzen. Schon vor Jahren hat die Mieterinitiative zusammen mit dem alternativen Bauträger Stattbau ein Konzept erarbeitet, das eine Instandsetzung der Häuser vorsieht.

In den Verhandlungen mit der Wohnungsgesellschaft ließ sich kein Kompromiss finden. Denn die Ersatzwohnungen in Neugraben-Fischbek kamen für die Bramfelder Mieter nicht in Frage, genauso wie der Wohncontainer, der ihnen für die Bauzeit angeboten wurde.

Die Wohnungsgesellschaft wiederum hat für das Anliegen der Mieter wenig Verständnis. Denn eine Sanierung der billigen Nachkriegsbauten macht für sie einfach keinen Sinn. Auch wenn man so günstigen Wohnraum in Hamburg nicht mehr finde, sei der Zustand der Häuser zu schlecht, sagt Sprecherin Sybille Jeschonek. An Stelle der alten Häuser will die Sahle Wohnen 43 geförderte Wohnungen für Familien bauen, mit zwei bis vier Zimmern. Auch wenn die geplanten Neubauwohnungen „nicht ganz in der gleichen Preisklasse liegen“, haben die Mieter immerhin ein Rückzugsrecht, so Jeschonek.

Die Baugenehmigung liege mittlerweile vor – unmittelbar nach einer Räumung könnten die Arbeiten beginnen. Doch einfach so werden die Mieter nicht ihre Sachen packen. „Wenn die Sahle Wohnen neue Wohnungen bauen will, kann sie sich doch ein unbewohntes Grundstück nehmen“, sagt Lehmann. Ob die Mieter gehen müssen, wird nun das Gericht entscheiden.

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