Von Schlafstätte ausgesperrt: Kein Platz für Obdachlose

Neuer Besitzer des Allianz-Hochhauses zieht Zaun ums Haus, damit Obdachlose dort nicht mehr schlafen. Anwohner hatten sich beschwert

Sollen Obdachlose fernhalten: Pressspanplatten rund um das ehemalige Allianz-Hochhaus Foto: Andrea Scharpen

HAMBURG taz | Der Zugang zum Eingang der Tiefgarage ist mit Pressspanplatten verbarrikadiert. Um das ehemalige Allianz-Hochhaus am Großen Burstah ziehen Handwerker einen 2,50 Meter hohen Zaun. Monatelang haben unter den Vordächern des seit 2012 leerstehenden Gebäudes und am Eingang zur Tiefgarage Obdachlose geschlafen. Der neue Zaun soll sie fernhalten. Anwohner hatten sich beschwert, über den beißenden Urin-Geruch, den Müll, die Menschen.

Michael M. sitzt wenige Meter vom neuen Zaun entfernt auf einer Decke. Neben ihm liegt seine Hündin Strange. Der 30-Jährige hat zwei Jahre lang am Allianz-Hochhaus Platte gemacht – bis Dienstagmorgen. Da sei er aufgefordert worden, zu gehen. Mehr als 40 Obdachlose fanden am zentralen Platz nahe des Rathauses regelmäßig einen wettergeschützten Schlafplatz, schätzt er. „Ich habe da zwei Winter anständig überlebt.“

M. bedauert, dass der Käufer des Gebäudes, Quantum Immobilien, das Gelände räumen ließ – und hat gleichzeitig Verständnis. „Die hygienischen Zustände waren schlecht. Überall lag Müll“, sagt er. Der bisherige Eigentümer IVG Immobilien hatte zwar einen privaten Sicherheitsdienst beauftragt, aber nur ein Dixi-Klo aufgestellt.

Das sei meist schon nach zwei Tagen voll gewesen, aber nur alle 14 Tage geleert worden. Dabei hätte die katastrophale Hygiene einfach durch zusätzliche Toiletten und Müllcontainer verbessert werden können, sagt er. „Auch wenn bestimmt nicht jeder die Klos auch benutzt hätte.“

Im Gegensatz zum Vorbesitzer möchte Quantum die Obdachlosen wohl nicht länger dulden. Dazu Stellung nehmen wollte die Firma aber nicht. Man sei noch nicht „Eigentümer der Liegenschaften“, so die Begründung. Der Kaufvertrag ist allerdings bereits unterschrieben.

Schon seit vergangenem Jahr ist klar, dass der Gebäudekomplex weg soll. Insbesondere Büroflächen, aber auch Wohnungen sollen entstehen. Vor 2017 werde das Haus voraussichtlich nicht abgerissen, sagte Quantum-Geschäftsführer Frank Gerhard Schmidt dem Hamburger Abendblatt. Bis dahin stehen die Gebäude leer.

„Ich verstehe nicht, warum sie nicht einen Teil der Räume kontrolliert freigegeben haben“, sagt Michael M. Der Eigentümer hätte einen Sicherheitsdienst einsetzen und die Obdachlosen hineinlassen können, findet er.

Eine ähnliche Idee hatte der Kirchenkreis Hamburg-Ost. Der besitzt ein Gebäude an der Rückseite des Allianz-Hochhauses neben der Ruine von St. Nikolai. Der Kirchenkreis habe das seit Anfang 2014 leerstehende Haus dem Betreiber öffentlicher Unterkünfte Fördern und Wohnen angeboten, sagt Kirchenkreis-Sprecher Remmer Koch. „Die haben die Öffnung des Gebäudes für nicht zulässig befunden“, sagt er – insbesondere aus Brandschutzgründen.

„Es wäre in unserem Interesse gewesen, wenn hier Menschen untergekommen wären.“ Trotzdem ziehen die Handwerker den hohen Zaun nun auch um den Kirchenbesitz. Denn letztlich sei es den Kirchenkreis-Leuten dann doch zu dreckig gewesen. „Wir haben keine andere Lösung mehr gesehen“, sagt Koch. Die Obdachlosen seien nicht gesprächsbereit gewesen.

Michael M. hat sich einen neuen Schlafplatz gesucht – außerhalb des Stadtzentrums.

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