Vor der Fußball-WM in Brasilien: „Erbe des brasilianischen Volkes“

Mit dem Spruch „Ein Pädagoge ist mehr wert als Neymar“ wurde in Rio das brasilianische Nationalteam empfangen. Sportdirektor Parreira verteidigt die Mannschaft.

Kein Heimspiel: Demonstranten kleben Anti-WM-Sticker an den Bus der Seleçao Bild: ap

TERESÓPOLIS afp | Einen unfreundlichen Empfang haben wütende Demonstranten der brasilianischen Fußballnationalmannschaft bei ihrem Eintreffen in Rio de Janeiro bereitet. „Ein Pädagoge ist mehr wert als Neymar“, skandierten rund 200 streikende Lehrer am Montag in Bezug auf den Starstürmer, als sich der Bus mit den Fußballern an Bord am Flughafen seinen Weg durch die Menge bahnte. Seit Monaten gibt es in Brasilien Proteste gegen die hohen WM-Kosten.

Trotz großen Polizeiaufgebots zwangen die Demonstranten den Konvoi, langsamer zu fahren. Einigen gelang es, Aufkleber mit Anti-WM-Parolen an das Fahrzeug zu kleben. Die Nationalelf war auf dem Weg vom Flughafen der Metropole Rio de Janeiro in ihr schwer bewachtes Trainingscamp im rund 90 Kilometer entfernten Teresópolis. Auch dort erwarteten neben Fans und Schaulustigen erneut Demonstranten die Fußballstars.

Sportdirektor Carlos Alberto Parreira versuchte, die Proteste herunterzuspielen. „Machen Sie daraus, was Sie wollen, ich glaube, die Mannschaft ist das kulturelle und sportliche Erbe des brasilianischen Volkes“, sagte Parreira bei einer Pressekonferenz in Teresópolis. Er habe „nicht den geringsten Zweifel“ daran, dass die Brasilianer ihre Nationalelf während der Weltmeisterschaft unterstützen würden. „Niemand ist gegen die Seleçao“.

Auf der Fahrt vom Flughafen nach Teresópolis habe er gesehen, wie die Menschen der Mannschaft applaudiert hätten, „die Leute haben sie die ganze Zeit ermutigt“, berichtete der frühere Nationaltrainer Parreira. Fußball ist eine nationale Leidenschaft in Brasilien, die Nationalmannschaft wird weithin hoch verehrt. Die WM beginnt am 12. Juni. An dem Tag bestreitet die brasilianische Elf in São Paulo das Eröffnungsspiel gegen Kroatien.

Der Zorn ist groß

Wegen der immensen Kosten für die Fußballweltmeisterschaft richtet sich jedoch der Zorn vieler Brasilianer gegen die Behörden und das Sportereignis an sich. Immer wieder kam es in den vergangenen Wochen und Monaten zu teils gewalttätigen Protesten. Die Demonstranten werfen der Regierung vor, viel Geld in Prestigeprojekte zu stecken und wichtige andere Aufgaben zu vernachlässigen.

Zudem gibt es immer wieder Streiks bei der Polizei, im Nahverkehr und im Bildungswesen. Im Bundesstaat Rio de Janeiro traten die Lehrer vor rund zwei Wochen in den Streik. Sie fordern 20 Prozent mehr Lohn.

Auch die teure Renovierung des Granja Comary-Trainingslagers in Teresópolis erzürnte viele Menschen. Zu dem Komplex gehören 39 Einzelzimmer mit King Size-Betten und mehrere Fußballfelder, auf denen Trainer Luiz Felipe Scolari mit seinen Spielern trainieren will. Auf einem Plakat der Demonstranten am Montag stand geschrieben: „Milliarden für die Fußball-WM, kein Obdach für die Opfer der Regenfälle von 2011. Findet Ihr das fair?“

Bei den Unwettern kurz nach der Amtseinführung von Präsidentin Dilma Rousseff waren in der Region mehr als 900 Menschen ums Leben gekommen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.