Vor der Räumung: Die letzten Signale aus der Liebig 14

Nach langem Streit wird am Mittwoch das Hausprojekt in Berlin-Friedrichshain geräumt. Die Bewohner verbarrikadieren sich und rufen zum Widerstand auf.

Wird aufgerüstet: Liebigstraße 14. Bild: Reuters

BERLIN taz | Die Liebig 14 hat sich zur letzten Schlacht gerüstet. Am Dienstag sind fast alle Fenster des Friedrichshainer Hausprojekts mit Pappen und Brettern von innen verhangen. Wie Speere ragen in der ersten Etage Metallstangen von einem Balkon. Daneben baumelt ein meterlanges Banner an der orangenen Fassade: "Sich fügen heißt lügen".

Fotografen stehen vorm Haus und knipsen Abschiedsfotos: Am heutigen Mittwoch ab 8 Uhr soll die Liebig 14 geräumt werden. Es wäre das Ende des 1990 besetzten und später legalisierten Hauses - nach jahrelangem Streit mit den Eigentümern. Ein Ende, das die Bewohner nicht ohne ein letztes, großes Zeichen des Widerstands antreten wollen.

"Besenrein werden wir das Haus nicht übergeben", sagt Fabian. Er sitzt am Dienstagmorgen neben drei anderen Liebig-Bewohnern an einem Tisch im Altarraum der Galiläa-Kirche, heute ein Museum. Die Vier tragen Kapuzenpullover, Fotos sind nicht erlaubt. Es ist die letzte Pressekonferenz der Liebig 14, gleich um die Ecke zum Haus - und die Journalisten drängeln sich auf den weißen Kirchenbänken.

Man werde es der Polizei nicht einfach machen, sagen die Bewohner. "Was genau passiert, liegt aber größtenteils nicht in unserer Hand." Man könne weder den Polizeieinsatz noch die Proteste der Unterstützer steuern. "Wir erwarten einen gewalttätigen Polizeieinsatz."

Wenige Stunden später scheitert einer der letzten Rettungsversuche: Das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg erklärt einen Eileinspruch gegen die Räumung für ungültig. Die Bewohner hatten moniert, dass die Räumungstitel nur auf Personen ausgeschrieben seien, die schon seit Jahren nicht mehr im Haus leben. Tatsächlicher Mietvertragsträger sei der Verein Liebig14. Das Amtsgericht weist das zurück, es bleibe bei der Räumung. Die Bewohner legen Beschwerde gegen die Entscheidung ein, das Ergebnis ist am Dienstagabend noch offen.

Im Kiez rund um die Liebig 14 ist einen Tag vor der Räumung die Verunsicherung spürbar, auch wenn Nachbarn Solidaritäts-Banner vom Balkon hängen. Schon jetzt parkt kein Auto mehr in der Nähe des Hauses. Man werde doch schließen, heißt es aus der Kita Tausendfüßchen gegenüber. "Wir können einfach nicht sicher sein, was passiert." Auch zwei andere Kitas in der Nachbarschaft bleiben am Mittwoch zu. Die "Bäckerei 2000" gleich neben der Liebig 14 will dagegen öffnen. Eine Verkäuferin macht sich Mut: "Uns wird schon nichts passieren."

"Dezentrale Aktionen" lautet die Losung der Unterstützer-Szene für den Räumungstag. Eine Initiative, die Liebig 14 zu verteidigen, gibt es nicht. Schon seit Wochen kommen Fremde nicht mehr ins Haus. Seit Tagen fliegen Farbbeutel und Steine auf Senatsgebäude, Lofts und Immobilienverwalter-Büros. "Wir werden uns nicht auf angemeldete Aktionen verlassen, sondern spontan, teuer und unkontrollierbar sein", verspricht ein Aufruf. Die Aktionen sollten sich auf die Liebig 14 beziehen und "keine sinnlose Randale" darstellen.

Man hat sich vorbereitet: Am Mittwoch ist ein Infotelefon geschaltet, eine "Freifunkinitiative" will die Räumung live und "objektiv" auf einem Internet-Stream übertragen. Ein Infoladen in der Scharnweberstraße 38 fungiert als Anlaufpunkt für alle Protestler. 14 "kritische Juristen" der HU und FU wollen den Polizeieinsatz beobachten. Aus Frankreich, Dänemark und Osteuropa reisen Unterstützer an, berichtet ein Liebig-Bewohner. Nach "Kleingruppenaktionen" sollen sich alle um 19 Uhr zu einer Demo am Boxhagener Platz zusammenfinden.

Die Polizei hält dem ein Großaufgebot entgegen: 2.000 Beamte, die Hälfte davon aus anderen Bundesländern. Es gebe nur noch einen Ausweg, die Räumung zu verhindern, vermeldet Innensenator Ehrhart Körting (SPD) am Nachmittag: "Die Bewohner melden sich beim Gerichtsvollzieher und geben ihre Schlüssel ab."

Die Polizei werde sich "so deeskalierend wie möglich" verhalten. Auf dezentrale Aktionen sei man eingestellt, so Körting. "Es wird sicher eine Zeitlang komplizierter werden, in den entsprechenden Straßen den Fußgänger- und anderen Verkehr aufrecht zu erhalten." Im Vergleich zum jährlichen 1. Mai sei aber ein ruhigerer Einsatz zu erwarten. "Ich würde es tiefer hängen."

In der Galiläa-Kirche lässt man keinen Zweifel, wer die Schuld für die Räumung trägt: die Eigentümer und der Senat. "Wir haben mehrmals Schritte nach vorne gemacht, waren verhandlungsbereit", sagt Fabian. Erhalten habe man nur "Scheinangebote". Natürlich sei eine Gewalteskalation nicht im Sinne der Liebig 14. "Aber dass jetzt große Wut herrscht, können wir nachvollziehen." Die letzten Stunden laufen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.