Vor einem Jahr: Insolvenz von Air Berlin: Die Mitarbeiter trauern noch

8.000 Menschen verloren ihre Arbeit. Zwar haben viele der früheren Beschäftigten neue Jobs gefunden, aber oft zu erheblich schlechteren Bedingungen.

Ein Flugzeug der pleite gegangenen Fluggesellschaft Air Berlin wird abgestellt

Vor einem Jahr verschwand Air Berlin von der Bildfläche Foto: Roland Weihrauch/dpa

Sie wollten unbedingt dabei sein: Viele der früheren MitarbeiterInnen der Fluglinie Air Berlin sind in den vergangenen Wochen noch einmal an ihre alte Wirkungsstätte zurückgekehrt, um ihre Unterschrift auf ein altes Werbeplakat der Airline zu setzen.

Das Plakat mit den unzähligen Namenszügen zeigt eine der rot-weißen Maschinen am Himmel vor schönen weißen Wolken. Es soll im Deutschen Technikmuseum gezeigt werden, das bereits viele Air-Berlin-Exponate gesammelt hat.

Als die zweitgrößte deutsche Fluglinie Air Berlin vor genau einem Jahr Insolvenz anmeldete, war das für die damals 8.000 MitarbeiterInnen ein Schock. Rund 1.800 von ihnen waren in der Verwaltung der Airline in Berlin tätig, dazu kam Flugpersonal aus der Region.

Die Fluglinie war unter anderem an einem extremen Expansionskurs und Missmanagement von Haudegen wie Helmut Mehldorn gescheitert, der vorher sein Unwesen bei der Bahn getrieben hatte. In der Luftfahrtbranche herrscht ein extremer Verdrängungswettbwerb, dem Air Berlin nicht standgehalten hat.

Für viele nicht gut ausgegangen

Ein Jahr nach der Pleite haben zwar etliche ehemalige Mitarbeiter neue Stellen gefunden. Aber nicht wenige mussten zum Teil herbe Einbußen hinnehmen. „Für viele Beschäftigte ist das nicht gut ausgegangen“, sagt Christine Behle, für Luftfahrt ­zuständiges Bundesvorstandsmitglied der Gewerkschaft Verdi.

Für die Beschäftigten kam die Insolvenz nicht überraschend, denn im Vorfeld war viel über den Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit spekuliert worden. „Ich konnte mir gar nicht vorstellen, wie sehr einen so etwas mitnimmt“, sagt eine ehemalige Mitarbeiterin von Air Berlin. Sie möchte anonym blieben, weil sie für den Insolvenzverwalter von Air Berlin tätig ist.

Auch wenn sie und ihre KollegInnen noch einen Job haben, waren die vergangenen Monate extrem hart. Immer wieder mussten sie sich von langjährigen Weggefährten trennen, die es mitunter hart getroffen hat. „Es gab bei Air Berlin viele Paare“, sagt sie. „Sie standen von heute auf morgen vor dem finanziellen Nichts.“

Flugbegleiter erlebten Einkommenseinbußen von bis zu 40 Prozent

Etlichen Beschäftigten wurden falsche Versprechungen gemacht. Mitarbeiter hofften auf eine Übernahme durch Lufthansa oder Easy Jet, die dann doch nicht kam. Anderen wurde in der Abwicklungsphase nach der Insolvenz signalisiert, dass ihr Zeitvertrag noch einmal verlängert würde – was dann aber nicht geschah.

Loyalität zum ehemaligen Arbeitgeber

Die Ex-Air-Berliner treffen sich bei Stammtischen. „Manche haben schon den dritten neuen Job“, sagt die ehemalige Air-Berlin-Mitarbeiterin. Denn sie haben genommen, was sie kriegen konnten – auch wenn die Konditionen noch so schlecht waren. Air Berlin hat die Mitarbeiter vergleichsweise gut bezahlt. Andere Fluglinien drücken die Löhne. Die Loyalität zum ehemaligen Arbeitgeber ist wohl auch deshalb bei vielen noch immer hoch. „Bei Air Berlin ging es familiär zu“, sagt sie. Viele wünschen sich das Unternehmen zurück. „Wenn es ein neues Air Berlin gäbe, wären wir wieder dabei.“

Nach Angaben der Arbeitsagentur Berlin-Brandenburg haben mehr als 60 Prozent der ehemaligen Beschäftigten von Air Berlin, die sich in Berlin oder Brandenburg arbeitslos gemeldet hatten, eine neue Stelle gefunden.

Allerdings hatten sich nicht alle Entlassenen bei der Arbeitsagentur gemeldet. Zurzeit sind noch 330 ehemalige Beschäftigte der Airline in Berlin oder Brandenburg als arbeitslos registriert. Manche von ihnen erst seit Kurzem, weil sie bislang noch für den Insolvenz­verwalter tätig waren.

Die Pleite hatte für die Beschäftigten sehr unterschiedlich Folgen. VerwaltungsmitarbeiterInnen konnten in eine Transfergesellschaft wechseln. Dort konnten sie sich bei Bedarf qualifizieren und hatten ein halbes Jahr Zeit, sich auf Stellen zu bewerben. „Das hat gut geklappt, damit sind wir sehr zufrieden gewesen“, sagt Verdi-Vorstandsmitglied Behle.

Einige hatten Glück

In die Transfergesellschaft können auch die 65 früheren Air-Berliner noch bis zum 1. Januar 2019 gehen, die der Insolvenzverwalter derzeit noch beschäftigt.

Rund 100 Techniker wurden von einer Wartungsfirma übernommen. Auch Piloten hatten keine großen Probleme. „Hart war die Insolvenz vor allem für die FlugbegleiterInnen“, berichtet Behle. Die Lufthansa wollte ursprünglich 3.000 von ihnen übernehmen, stellte dann aber nur wenige Hundert an. Easy Jet hat rund 500 FlugbegleiterInnen von Air Berlin übernommen – zu fast den gleichen Bedingungen.

Sie hatten Glück. In der Branche gilt das Senioritätsprinzip. Das heißt, das Gehalt hängt auch von der Dauer der Betriebszugehörigkeit ab. Das Problem: Erfahrene Flugbegleiterinnen von Air Berlin wurden von neuen Arbeitgebern als Berufsanfängerinnen eingestuft.

„Einige haben Lohneinbußen von 40 Prozent, weil ihnen 20 Jahre Erfahrung nicht anerkannt wurde“, sagt Behle.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.