Vorläufiges Ende des Zollstreits: Adieu, regelbasierte Handelspolitik
Die Einigung im Zollstreit geht eindeutig zu Lasten der EU. Damit hat Trump Europa seine verquere Dealmaker-Logik aufgezwungen.

G eht doch, mögen manche angesichts der zwischen der EU und US-Präsident Donald Trump gerade geschlossenen Handelsvereinbarung denken: Mit Trump ist ja durchaus eine Verständigung möglich! Wer das wirklich glaubt, übersieht eines: Die vorläufige Beilegung des Handelsstreits zwischen dem US-Präsidenten und der EU-Kommission ist mitnichten eine Einigung auf Augenhöhe. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat Trump ein Lösegeld zugesagt, damit der von den angedrohten Zollfesseln für europäische Unternehmen lässt. Wie lange das vorhalten und wann die nächste Erpressung folgen wird, ist unklar.
Die EU nimmt nicht nur asymmetrische Zölle zu Ungunsten der Exporteure aus Europa in Kauf. Sie verpflichtet sich auch, in den USA einen dreistelligen Milliardenbetrag zu investieren und fossile Energien wie Flüssiggas im Wert von gigantischen 750 Milliarden Dollar in den kommenden drei Jahren von den USA zu kaufen – fast viermal so viel wie bisher. Christdemokratin von der Leyen hat offenbar der Glaube geleitet, die EU könne sich aus dem Konflikt herauskaufen. Aber der politische Preis für diese „Einigung“ ist zu hoch.
Die von Trump verlangten Zölle bedeuten eine Belastung für Branchen in der EU wie die Stahl- und Aluminiumindustrie, die 50 Prozent des Warenwerts ihrer Exporte an Zoll zahlen müssen. Für die meisten Branchen droht mit Zöllen von 15 Prozent eine Vervielfachung der Abgaben auf Exporte in die USA im Vergleich zur Vor-Trump-Zeit.

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Das ist nicht nichts – aber verschmerzbar. Schlimmer als diese Abgaben ist der vollzogene Paradigmenwechsel: Von dem, was im Ökonomenjargon so schön „regelbasierte Handelspolitik“ genannt wird, ist diese Vereinbarung weit entfernt. Genau die wollte die EU aber retten. Trump hat seine verquere Dealmaker-Logik voll durchgesetzt. Er zwingt der EU seinen Willen auf.
Mit dem Zugeständnis von der Leyens, den USA enorme Mengen LNG abzunehmen, ist die Konservierung fossiler Energieversorgung in der EU verbunden. Das ist klimapolitisch fatal. Trump dürfte dieses Signal mindestens so freuen wie die finanziellen Aspekte des Deals, empfiehlt er den Europäern doch, sie sollten ihre Windräder abbauen. Von der Leyens Zu-Kreuze-Kriechen wird den US-Präsidenten aber nicht besänftigen. Im Gegenteil, es ist geradezu eine Einladung, weiter einzugreifen. Dieser politische Schaden ist viel größer, als es der wirtschaftliche bei einem Scheitern der Gespräche hätte sein können.
Freiheit, Gleichheit, Solidarität – diese Werte des demokratischen Europas hasst Trump. Er wird mit Lust weiter daran arbeiten, sie den Europäer:innen auszutreiben. Sein „Deal“ mit der EU stärkt ihn dabei.
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