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Vorschläge für AbgabenBürgerrat plädiert für höhere Erbschaftsteuer

Ein ausgelostes Gremium unterbreitet Vorschläge für „gerechte Steuern und Finanzen“, während die Bundesregierung über Sozialkürzungen debattiert.

Viele Empfehlungen des Bürgergutachtens laufen darauf hinaus, finanziell gut ausgestattete Leute mehr als bisher zu belasten Foto: Erwin Wodicka/zoonar/imago

Berlin taz | Mit Steuerbetrug kennt Georg Günther sich aus. Der 37-jährige Bundestagsabgeordnete der CDU hat als Betriebsprüfer beim Finanzamt in Stralsund gearbeitet. Deshalb „nehme ich mir Ihre Vorschläge zu Herzen“, sagte er, als ihm das „Bürgergutachten gerechte Steuern und Finanzen“ überreicht wurde.

Darin enthalten sind unter anderem Vorschläge, wie der Staat Steuerhinterziehung besser bekämpfen und mehr Abgaben auf große Vermögen erheben könnte. Am Montagabend wurde das Gutachten offiziell an den Bundestag übergeben. Erarbeitet hat es ein Bürgerrat aus 40 Personen, die aus der Bundesbevölkerung ausgelost worden waren. Gremien aus zufällig ausgewählten Bür­ge­r:in­nen werden manchmal eingesetzt, um die festgefahrene politische Debatte voranzubringen.

Die Bürgerdebatte über gerechte Steuern durchgeführt hat das Parlament nicht selbst. Verantwortlich sind die Organisation Mehr Demokratie, das eher linke Netzwerk Steuergerechtigkeit und der konservativen Bund der Steuerzahler. Während des Sommers gruben sich die Teilnehmenden mit wissenschaftlicher Begleitung wochenlang in die Verästelungen des deutschen Finanzsystem hinein.

Haushaltslöcher drohen

Die Vorschläge treffen nun auf eine komplizierte Situation. Der schwarz-roten Koalition drohen Haushaltslöcher von Dutzenden Milliarden Euro. Deshalb und wegen der wirtschaftlichen Stagnation will die Union vor allem Sozialausgaben wie das Bürgergeld kürzen. Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) erwägt dagegen auch höhere Steuern auf große Einkommen und Vermögen. Das fordern ebenfalls Grüne, Linke, Organisationen wie Campact und Finanzwende.

Viele Empfehlungen des Bürgergutachtens laufen darauf hinaus, finanziell gut ausgestattete Leute mehr als bisher zur Finanzierung des Gemeinwesens beitragen zu lassen. Mit 90 Prozent Zustimmung haben sich die 40 Teilnehmenden beispielsweise geeinigt, dass „Kapitalerträge von privaten Großanlegerinnen und Großanlegern wie Spitzeneinkommen aus Arbeit besteuert“ werden sollten. Nähme der Bundestag diesen Vorschlag auf, gälte künftig nicht mehr die pauschale Abgeltungssteuer von 25 Prozent, sondern eine „progressive Kapitalertragsteuer von bis zu 45 Prozent“. Privathaushalte mit großen Kapitaleinkünften sollen mehr Steuern zahlen als heute.

In die gleiche Richtung geht die Idee, eine „einmalige Vermögensabgabe“ auf großen Besitz zu erheben, um einen „staatlichen Zukunftsfonds“ zu finanzieren. Das erinnert entfernt an den Lastenausgleich nach dem Zweiten Weltkrieg, den Immobilienbesitzende unter anderem zugunsten mittelloser Flüchtlinge zahlen mussten. Mit großer Mehrheit sympathisch fand der Bürgerrat auch Forderungen, Firmenerben mehr Erbschaftsteuer zahlen zu lassen. Wenn Unternehmen im Wert über 26 Millionen Euro an die nächste Generation weitergegeben würden, solle die Steuer nicht mehr erlassen werden, wie heute oft praktiziert.

Private Krankenversicherung abschaffen?

Drei Viertel der Teilnehmenden waren sich im Übrigen einig, die private Krankenversicherung abschaffen und durch eine einheitliche Institution ersetzen zu wollen. Diese würde dann im Gegensatz zu heute auch Be­am­t:in­nen und Selbstständige betreuen. Ähnliches solle für die Rentenversicherung gelten, empfiehlt der Bürgerrat. In Anlehnung an das Schweizer Modell will man die Beitragsbemessungsgrenze für hohe Einkommen abschaffen. Die Rentenbeiträge wären dann nicht mehr wie heute gedeckelt. Auch Be­am­t:in­nen sollen einzahlen müssen. Solchen weitgehenden Vorschlägen des Bürgerrats dürften angesichts der ablehnenden Haltung der mitregierenden Union aber wohl geringe Realisierungschancen zukommen.

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