Vorschlag zur Steuerreform: AfD will die Reichsten reicher machen
Einheitssteuer statt Steuersätze: Die AfD schlägt eine Steuerreform vor, die selbst die Union als „Umverteilung von unten nach oben“ kritisiert.
Am Donnerstag stellt die AfD im Bundestag eine Steuerreform zur Abstimmung. Mit einer Einheitssteuer wolle sie die „hohe Abgabenquote“ reduzieren, sagt die Partei. Die Frage ist jedoch: für wen? Laut Berechnungen des Steuer-Experten Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) würden die Leute mit den höchsten Einkommen am meisten profitieren. Rund drei Viertel der privaten Mehreinnahmen der Steuerzahler:innen würden sich demnach mit dem AfD-Vorschlag zukünftig zu den reichsten zehn Prozent der Bevölkerung verlagern.
Einheitssteuer statt Steuersätze
In dem zehnseitigen Antrag, der am Donnerstag auf der Tagesordnung des Bundestages steht, plädiert die AfD für einen einheitlichen Satz von 25 Prozent bei der Einkommen- und Gewinnsteuer. Diese Einheitssteuer (Flat Tax) gälte für Privatpersonen und Unternehmen. Heute reichen die Steuersätze für Privathaushalte von 14 Prozent auf niedrige Verdienste bis 45 Prozent auf hohe. Während der Freibetrag für Erwachsene, bis zu dem keine Steuer anfällt, momentan bei knapp 12.100 Euro liegt, will ihn die AfD auf 15.000 Euro anheben.
Auch Unternehmen sollen höchstens 25 Prozent entrichten. Heute zahlen sie bis zu rund 30 Prozent Körperschaft- und Gewerbesteuer, wobei die schwarz-rote Koalition schon beschlossen hat, die Belastung ab 2028 in Richtung 25 Prozent zu verringern.
Zur Begründung führt die hartrechte Partei unter anderem die in Deutschland im Vergleich zu anderen Staaten hohe Abgabenquote an. Nach Angaben des Bundesfinanzministerium (BMF) liegt diese „im oberen Mittelfeld“, wobei sie auch die Sozialabgaben beinhaltet. Bei der Steuerquote bewege sich Deutschland „im unteren Mittelfeld“, sagt das BMF.
Die AfD kritisiert auch, dass die Steuereinnahmen in den vergangenen 20 Jahren stärker gestiegen seien als die Wirtschaftsleistung. Das stimmt, allerdings war der Steuerzuwachs nur leicht höher als das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts. „Der Staat muss lernen, mit dem Geld auszukommen und nicht ständig neue Ansprüche durch immer höhere Steuern zu finanzieren“, erklärte AfD-Finanzpolitiker Jörn König.
Union kritisierte Gerechtigkeitsproblem
DIW-Ökonom Bach hat die Verteilungswirkung des AfD-Vorschlags zur Einkommensteuer untersucht. Im Vergleich zum heutigen Steuersystem würde der einheitliche Satz von 25 Prozent in Kombination mit einem Freibetrag von 15.000 Euro den Staat 116 Milliarden Euro jährlich kosten – etwa zehn Prozent aller Steuereinnahmen. Während davon die reichsten zehn Prozent der Privathaushalte knapp 86 Milliarden Euro zusätzlich auf ihren Konten verbuchten, hätten die 40 Prozent wohlhabendsten Bürger:innen einen Vorteil von ungefähr 26 Milliarden Euro.
Die Hälfte der Bevölkerung mit den niedrigen und mittleren Einkommen profitiert Bach zufolge auch, erhielte allerdings nur etwa fünf Milliarden Euro pro Jahr. Diese Verteilungswirkung verschöbe sich etwas, aber nicht deutlich zugunsten der Mittelschichten, wenn man den Kinderfreibetrag von 12.000 Euro berücksichtigt, den die AfD ebenfalls vorschlägt.
Das Modell orientiert sich an den Vorstellungen des ehemaligen Verfassungsrichters Paul Kirchhof. Diese spielten 2005 eine große Rolle im Wahlkampf der späteren CDU-Kanzlerin Angela Merkel. Die damit verbundenen Verteilungs- und Gerechtigkeitsprobleme wurden damals jedoch scharf kritisiert, so dass die Union das Konzept wieder fallen ließ.
Konzept würde zu „erheblichen Mindereinnahmen“ führen
Anders als DIW-Experte Bach rechnet AfD-Politiker König, wenn er die möglichen Steuerausfälle im „ersten Jahr“ auf nur „30 Milliarden Euro“ beziffert. Danach stiegen die Einnahmen wieder, weil die Mittelschicht wegen der geringeren Steuerbelastung mehr arbeite, verdiene und investiere. Wenn Geld gespart werden müsse, lasse sich das ohne Probleme etwa durch Kürzungen zulasten ausländischer Bürgergeld-Empfänger hereinholen, so der AfD-Politiker.
Als der Finanzausschuss des Bundestages kürzlich über den AfD-Vorschlag diskutierte, monierte die CDU-CSU-Fraktion, er würde „zu einer Umverteilung von unten nach oben führen“. Die Union wies darauf hin, „dass die Kombination aus hohen Freibeträgen und der Flat Tax von 25 Prozent erhebliche Steuermindereinnahmen“ verursache. Weil dem Staat dann Dutzende Milliarden Euro zum Beispiel für öffentliche Investitionen fehlten, könne eine derartige Steuerreform nicht „die erforderlichen Wachstumsimpulse für Deutschland liefern“. SPD, Grüne und Linke kritisierten das Konzept ebenfalls. Der Finanzausschuss lehnte es ab.
Gemeinsam für freie Presse
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert