Vulkanausbrüche und Klimakrise: Feuer aus dem Eis
Die Klimakrise erhöht nicht nur das Risiko für Extremwetterereignisse wie Starkregen oder Dürre. Sie macht auch Vulkanausbrüche wahrscheinlicher.
Ein Team um den Geologen Pablo Moreno-Yaeger von der US-amerikanischen University of Wisconsin-Madison analysierte die Mineralien im Gestein rund um den Mocho-Choshuenco. Das ist ein erloschener Vulkan in Chile am Westrand der Andenkordillere.
Mittels radiometrischer Datierung bestimmte das Forscher-Team das Alter des Vulkangesteins, das vor, während und nach der letzten Eiszeit entstanden ist. Deren Höhepunkt war vor 26.000 Jahren. Damals war das Gebiet noch von einem 1.500 Meter hohen Eisschild bedeckt. Das Gewicht des Eises unterdrückte mit seiner Last ein großes Magma-Reservoir in zehn bis 15 Kilometern Tiefe unter der Oberfläche.
Mit der natürlichen Erwärmung vor rund 13.000 Jahren begann dann aber das Eis zu schmelzen. Damit ließ der Druck auf die Magmakammer nach und Gase dehnten sich aus: Eine Reihe explosiver Ausbrüche waren die Folge, wie die Analyse und Datierung der Mineralien ergab. „Als die Gletscher weg waren, brach der Vulkan viel häufiger aus“, erklärt Studienleiter Pablo Moreno-Yaeger. Das geschmolzene Gestein sei dickflüssiger gewesen und bei einem Ausbruch explosiver.
Dass die Klimaerhitzung auch Auswirkungen auf die Tektonik der Erde haben wird – die klein- und großräumigen Bewegungen in der Erdkruste – dafür gab es in der letzten Zeit immer wieder Indizien. So hatte ein Team der Technischen Universität Dänemark festgestellt, dass Grönland allein in den letzten zehn Jahren um 23 Zentimeter aus dem Ozean empor gestiegen ist. Eine Billion Tonnen Eis hat der grönländische Eispanzer seit den 1980ern verloren, weshalb weniger Last auf das darunter liegende Land drückt. In der Folge steigt die Landmasse nach oben.
Hier sinkt der Meeresspiegel
In der Wissenschaft der Geotektonik wird dieser Vorgang als „isostatischer Aufstieg“ bezeichnet: Beobachten lässt er sich beispielsweise im freigeschmolzenen Skandinavien, das seit dem Ende letzten Eiszeit vor etwa 10.000 Jahren immer noch aufsteigt. Während der globale Meeresspiegel aktuell um etwa 3 Millimeter pro Jahr steigt, ist der Pegel in Stockholm seit dem 19. Jahrhundert um eine halben Meter gefallen.
Solch eine Entwicklung wird durch die Eisschmelze nun auch für die „schlafenden“ Vulkane prophezeit: Milliarden Tonnen Eis lasten beispielsweise auf Alaska, dem drittgrößten Gletschergebiet der Erde – speziell auf den Bergen des St.-Elias-Gebirge im Südosten. Ihr gigantisches Gewicht drückt auf die „Nordamerikanische Kontinentalplatte“ in dem darunterliegenden Erdmantel. Das Team um Pablo Moreno-Yaeger warnt: Katastrophal sei die Schmelze auch für die mindestens 100 Vulkane in der Westantarktis. Noch drückt deren Eis auf die Magmakammern, doch in den nächsten Jahrzehnten wird es rapide an Gewicht verlieren.
„Vulkanausbrüche könnten den Planeten zunächst zeitweise wieder abkühlen“, erklärt Studienautor Pablo Moreno-Yaeger. Die in die Atmosphäre gesprengten Partikel würden das Sonnenlicht reflektieren, also den Energieeintrag auf die Erde minimieren. In der Wissenschaft wird so etwas als „Geoengineering“ geprüft: der künstliche Beschuss unserer Atmosphäre mit chemischen Partikeln. Ein Experiment ohne Garantie: In Schweden wurde 2021 ein Forschungsprojekt abgesagt, weil die Folgen als unkalkulierbar eingeschätzt wurden.
Mit gutem Grund, wie ein Blick in die Geschichte zeigt: Nach dem Ausbruch des Tambora in Indonesien vor gut 200 Jahren erlitt Europa eine große Hungersnot. Auch der Vulkanausbruch auf der Insel Simuschir im Westpazifik 1831 hatte weltweite Auswirkungen. Der Komponist Felix Mendelssohn Bartholdy – seinerzeit auf Wanderung in den Schweizer Alpen – notierte in seinem Tagebuch: „Das Wetter hat furchtbar geras't, großen Schaden gethan, Verwüstungen angerichtet; die Leute wissen sich keines ärgeren Sturmes und Regens seit vielen Jahren zu entsinnen.“
Junge Erkenntnisse
Die Erkenntnisse der Auswirkungen des Klimawandels auf die Geotektonik sind noch relativ jung, wie eine Studie aus dem Jahr 2022 nachweist. Überraschenderweise haben nicht nur schmelzende Gletscher Auswirkungen auf künftige Vulkanausbrüche und Erdbeben, sondern etwa auch die Zunahme extremer Regenfälle. Im August 2009 traf der Taifun Morakot auf die Südküste Taiwans, der Sturm brachte drei Meter Niederschlag pro Quadratmeter in 24 Stunden. Zum Vergleich: Bei der Elbeflut 2002 regnete es im Erzgebirge 31 Zentimeter in derselben Zeit. Damals gab es in der Folge mehrere Erdbeben auf der westpazifischen Insel, was Wissenschaftler in Zusammenhang brachten.
Die Studie des wissenschaftlichen Teams um Pablo Moreno-Yaeger gilt noch als unveröffentlicht, derzeit befindet sie sich in der Endphase der Begutachtung durch eine wissenschaftliche Zeitschrift. Vorgestellt wurden die Ergebnisse aber bereits Anfang Juli auf der Goldschmidt-Konferenz für Geochemie in Prag. Zwar gilt Wissenschaft immer erst dann als „erwiesen“, wenn Gutachter im sogenannten „peer review“-Verfahren die wissenschaftlichen Standards einer Arbeit überprüft haben. Allerdings ist die Goldschmidt-Konferenz die wichtigste wissenschaftliche Plattform der Geochemie.
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