Wadephul in China: Politik der soliden Gespräche
Außenminister Wadephul ist endlich nach China gefahren. Durchbrüche erwartet niemand. Er soll dem baldigen Kanzler-Besuch den Weg bereiten.
Langsam läuft Außenminister Johann Wadephul gemeinsam mit der Germanistikprofessorin Pan Yaling den Kohlehügel hoch, wie der Jingshan Park in Peking auch genannt wird. Von oben hat man einen freien Blick auf die Verbotene Stadt, am Montagvormittag sogar bei Sonnenschein. Pan erzählt von den fünf Pavillons, die auf dem Weg nach oben liegen. Sie stünden für die vier Himmelsrichtungen – und die Mitte. „Die Mitte ist uns wichtig“, sagt sie. „Für uns auch“, sagt der CDU-Mann und lacht, er meint wohl seine Partei und die Regierung damit. Die Chinesin guckt etwas ratlos.
Der Außenminister ist am frühen Montagmorgen in Peking angekommen, der Flug hat elf Stunden gedauert, die Ruhezeit war extrem kurz. Es ist sein Antrittsbesuch als Außenminister, der eigentlich schon vor sechs Wochen hätte stattfinden sollen. Weil China – so hieß es aus dem Ministerium – dem Minister damals aber nur ein Treffen mit seinem Amtskollegen Wang Yi fest zugesagt hatte und sonst kein weiteres, sagte Wadephul die Reise kurzfristig ab. Die Chinesen sollen, so war zu hören, zuvor verärgert über Äußerungen des deutschen Außenministers gewesen sein, der Chinas „zunehmend aggressives Auftreten“ in der Straße von Taiwan sowie im Ost- und Südchinesischen Meer kritisiert hatte.
Jetzt, sechs Wochen später, ist der Besuch nicht einfacher geworden, denn China sitzt inzwischen bei vielen Fragen einfach am längeren Hebel.
Bei den seltenen Erden zum Beispiel. China dominiert den Markt mit den Metallen, auch Deutschland ist abhängig davon. China aber hatte im Zuge des Handelsstreits mit den USA Exportbeschränkungen für seltene Erden erlassen; fehlende Lieferungen machen unter anderem deutschen Autoherstellen das Leben schwer. Auch Autos und Stahl, die aus China billig auf den europäischen Markt drängen, sind ein wichtiges Thema; China selbst nimmt immer weniger Güter aus Deutschland und auch aus der Europäischen Union ab.
Niemand erwartet Durchbrüche
Niemand erwartet, dass Wadephul am Dienstagabend mit Durchbrüchen nach Hause fliegt. Eher gelten solide Gespräche, die fortsetzbar sind, schon als gutes Ergebnis. Es seien offene und intensive Gespräche gewesen, sagt Wadephul am Montagabend sichtlich erschöpft im Hotel. Bei den seltenen Erden immerhin habe China angeboten, dass es statt der derzeit notwendigen Anträge in jedem Einzelfall Generallizenzen für Unternehmen geben könnte.
Am Morgen traf Wadephul zunächst Handelsminister Wang Wentao und beteuerte erneut die Bedeutung der deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen. Deutschland sei kein Freund des Protektionismus, sagte der deutsche Außenminister zudem zu Beginn des Gesprächs. „Wir sind für freien Welthandel. Wir sind für den Abbau von Handelsbarrieren.“ Die Bundesregierung sei aber auch dafür, dass man klaren Blick darauf behält, dass nicht ein indirekter Einfluss des Staates zu Wettbewerbsungleichgewichten führe. Entsprechend „skeptisch“ äußerte sich der Außenminister zur Drohung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, die EU könne gegen China Zölle einführen, sollte dessen Handelsüberschuss nicht sinken.
Mit Wadephul sind mehrere Wirtschaftsvertreter*innen nach China gereist. Auch die sollen in dem halbstündigen Gespräch mit Wang ihre Lage geschildert und sich für mehr Verlässlichkeit starkgemacht haben. Gemeinsame Pressestatements gab es weder nach dem Treffen mit Handelsminister Wang noch nach späteren Terminen Wadephuls: mit Chinas Vizepräsidenten, dem Leiter der internationalen Abteilung der Kommunistischen Partei und am Abend Außenminister Wang Li.
Weiteres Thema: Krieg in der Ukraine
Ein anderes wichtiges Thema war der Krieg in der Ukraine, in dem China Russland mit der Lieferung von sogenannten Dual-Use-Gütern unterstützt. Kein anderes Land habe so viel Einfluss auf Russland wie China und könne sein Gewicht so sehr dafür einsetzen, „dass Russland endlich zu ernsthaften Verhandlungen bereit sei, die Souveränität der Ukraine zu achten“, hatte Wadephul vor seinem Abflug gesagt. Das werde er ansprechen. Auf Nachfragen am Montagabend allerdings nennt er keine konkrete Reaktion seiner chinesischen Gesprächspartner.
Mit Wadephul ist auch Bundestagsvizepräsident Omid Nouripour von den Grünen gereist. „Man muss miteinander sprechen, dazu gibt es gar keine Alternative.“ Deshalb sei es wichtig, dass der Außenminister unter anderem die Unterstützung für Russland wie auch Fragen des Handels anspreche, sagte Nouripour diplomatisch. „Der Aufstieg Chinas macht die Gespräche natürlich schwieriger.“
Mit diesen schwierigen Gesprächen wird sich bald auch Friedrich Merz herumplagen müssen. Wadephul bereitet mit seinen Gesprächen die Reise des Kanzlers vor. Sie ist für Anfang kommenden Jahres anvisiert, wann genau, ist noch nicht bekannt.
Um zu verstehen, wie China auf den Wadephul-Besuch blickt, muss man die Parteizeitungen durchblättern. „Berlin muss dringend aus dem Nebel der ‚Wertediplomatie‘ heraustreten und zu einem realitätsorientierten Weg zurückkehren“, fordert das für seine scharfen außenpolitischen Töne bekannte englischsprachige Propagandablatt Global Times. Dass China in Deutschland zunehmend als systemischer Konkurrent wahrgenommen werde, gehe angeblich auf die Narrative westlicher Denkfabriken zurück. Die implizite Botschaft lautet: Die Regierung in Berlin müsse endlich zur Besinnung kommen und China als gemeinnützigen Handelspartner anerkennen.
Diese harten Töne spiegeln die realen Machtverhältnisse wider, die sich zuletzt zugunsten Chinas gewandelt haben. Das lässt sich auch in den am Montag veröffentlichten Zahlen des Handelsministeriums empirisch ablesen: Chinas Handelsüberschuss hat erstmals die eine-Billion-Dollar-Marke – auf Jahresbasis – geknackt.
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