Wadephul in der Türkei: Gemeinsame Vorhaben
Bei seinem Antrittsbesuch betont der Außenminister die strategische Zusammenarbeit. Über die innenpolitische Lage in der Türkei spricht er nur zögerlich.

Als Johann Wadephul (CDU) am Freitagvormittag bei strahlendem Sonnenschein in Ankara landet, steht ihm eine durchaus heikle Aufgabe bevor. In einer schwierigen Gemengelage ist der Außenminister zu seinem Antrittsbesuch in die Türkei gereist.
Einerseits ist das Land als Nato-Mitglied, das eine große Armee und Zugang zum Schwarzen Meer hat, geopolitisch mit Blick auf die Bedrohung durch Russland eigentlich unverzichtbar. Auch hat es eine wichtige Vermittlerrolle zwischen Israel und der Hamas gespielt, beim Wiederaufbau des Gazastreifens will die Türkei Verantwortung übernehmen. Und dann sind da noch die Migrant*innen und Geflüchteten, deren weiterziehen in die EU die Türkei verhindern soll.
Anderseits verwandelt Präsident Recep Tayyip Erdoğan sein Land immer mehr in ein autoritäres System. Seitdem die Oppositionspartei CHP an Zustimmung gewinnt und seine Macht gefährden könnte, geht er gegen die Partei massiv vor, zahlreiche Oppositionspolitiker sitzen inzwischen im Gefängnis, der Istanbuler Oberbürgermeister Ekrem İmamoğlu bereits seit sieben Monaten ohne Anklageschrift.
Aber der deutsche Außenminister, der auch die Vorhut für eine Reise von Bundeskanzler Friedrich Merz in die Türkei ist, hat sich dafür entschieden, seinen Kollegen Hakan Fidan mit öffentlicher Kritik an der innenpolitischen Situation besser nicht zu verärgern. „Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit“ lägen Deutschland am Herzen - das ist das Äußerte, was er seinem Kollegen zumutet, als sie am Nachmittag gemeinsamen vor der Presse stehen.
Humanitäre Lage in Gaza
Auch als eine deutsche Journalistin konkret nach İmamoğlu fragt, bleibt Wadephul allgemein. Man habe „freundschaftlich und offen“ über alle Fragen gesprochen, auch in Zusammenhang mit den Werten der EU.
Beide Minister betonen vor allem, dass sie die Zusammenarbeit ihrer Länder noch weiter verstärken wollen, wirtschaftlich, aber auch in Sachen strategischer Zusammenarbeit mit der EU. Im Kern des Gesprächs stand, wie zu erwarten, die Lage in Gaza und die Frage, wie aus dem fragilen Waffenstillstand ein Frieden werden kann. Und wie die humanitäre Lage der palästinensischen Bevölkerung schnell verbessert werden kann sowie der Einstieg in die weitere Umsetzung des 20-Punkte-Friedensplans von US-Präsident Donald Trump - und der Beitrag, den die Türkei dazu leisten kann.
Wadephul sagt, er sehe „in Demut auf diese große Aufgabe“, und dass es dafür eine kraftvolle internationale Zusammenarbeit brauche. Die Türkei habe den US-amerikanischen Friedensplan tatkräftig unterstützt und Einfluss auf die Hamas genommen.
Auf der Hinreise im Flugzeug war er deutlicher geworden: Die Türkei müsse weiter ihre guten Beziehungen zur Hamas nutzen, um Druck zur Umsetzung des Gaza-Friedensplans zu machen, hatte der Minister betont. Eine Entwaffnung der Hamas und die Umsetzung der Vorgabe, dass sie keine politische Rolle im Gazastreifen mehr spielen dürfe, werde ein schwieriger Prozess sein. Da werde man viel Geduld brauchen, „aber natürlich auch Druckpotenzial“. Fidan betont in Ankara, die Friedensatmosphäre dürfe nicht gestört werden, da sei man sich einig.
Der Krieg in der Ukraine
Der deutsche Außenminister selbst will zu einer Wiederannäherung zwischen der Türkei und Israel beitragen: „Ich sehe durchaus die deutsche Rolle darin, wieder Verständnis und eine gemeinsame Ebene zwischen Israel und der Türkei herzustellen“, sagte Wadephul im Flugzeug. Herausforderungen zu benennen, scheut sich der Minister offensichtlich nicht. Erdoğan hat Israel zuletzt immer wieder beschuldigt, in Gaza einen Völkermord zu begehen, und verfügt, den Handel mit Israel einzustellen.
Insgesamt betonen beide Minister das große Potenzial der Zusammenarbeit. Die Türkei sei für Deutschland ein „zentraler strategischer Partner innerhalb des Nato-Bündnisses“, so Wadephul. Man habe, berichten beide, über Syrien gesprochen, über Visaerleichterungen und die Zollunion, und natürlich über das zweite große Thema, den Krieg in der Ukraine.
Die Türkei verfügt über gute Kontakte in beide Richtungen, jüngst erst hat Erdoğan den russischen Präsidenten Wladimir Putin bei einem Gipfel in China getroffen, die Türkei war als einziges Nato-Land dabei. Putins Kasse füllt Erdoğan weiter durch Importe von Öl und Gas, in die Ukraine exportiert die Türkei Waffen. Mehrfach hat das Land zudem Gespräche zwischen den beiden Ländern ausgerichtet.
Es sei wichtig, dass die russische Kriegskasse auszutrocknen, betont Wadephul, und dass Sanktionen nicht durch Unternehmen in Drittstaaten unterlaufen werden dürften. Das kann man durchaus an Kritik an der Türkei verstehen.
Das in den kommenden zwei Wochen geplante Treffen zwischen Trump und Putin in Budapest begrüßen sowohl Wadephul als auch Fidan. „Ich finde es grundsätzlich eine gute Entwicklung, dass die Gespräche endlich weitergehen", sagt Wadephul im Flieger. Er sehe das als Vorstufe der Gespräche, die dann zwischen Russland und der Ukraine stattfinden sollten.
Ob er es für ein Problem halte, dass das Treffen mit Putin, der vom Internationalen Strafgerichtshof per Haftbefehl gesucht wird, ausgerechnet in der Hauptstadt des EU-Partners Ungarn stattfinden solle? „Solange das mit der klaren Zielrichtung stattfindet, dass Friedensverhandlungen geführt werden, ist das akzeptabel“, sagt Wadephul. Es müsse aber „klar sein, dass wir jetzt nach einer erfolglosen Etappe in Alaska wirklich klare Schritte und die Bereitschaft Moskaus erkennen müssen, zu einer Beendigung der Kampfhandlungen zu kommen“.
Die Türkei, die eine wachsende Rüstungsindustrie hat, will zentraler Bestandteil der europäischen Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur werden. „Safe“ sei von „kritischer Bedeutung“, sagt der türkische Außenminister. Safe, die europäische Aufrüstungsstrategie „Security Action for Europe“, ist ein Programm, für das bis zu 150 Milliarden Euro in Form von günstigen Krediten zur Verfügung stehen. So soll die europäische Verteidigungsindustrie gestärkt werden. Die Türkei will einbezogen werden.
Die Bundesregierung hat im Sommer den Weg für den Export von Eurofighter-Kampfjets in die Türkei frei gemacht. Weil Deutschland an dem europäischen Gemeinschaftsprojekt beteiligt ist, muss es die Zustimmung zum Verkauf erteilen.
Ganz anders als der freundliche gemeinsame Presseauftritt von Wadephul und Fidan war 2022 übrigens der Antrittsbesuch von Wadephuls Vorgängerin Annalena Baerbock von den Grünen verlaufen: Sie hatte einen deutlich schärferen Ton angeschlagen und sich mit ihrem Kollegen, dem damaligen Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu, vor laufenden Kameras eine Kontroverse geliefert.
Zudem hatte sich Baerbock auch mit Vertretern der unter staatlicher Repression leidenden Opposition und der Zivilgesellschaft getroffen. Wadephul sprach am Freitag nur mit Fidan, dem türkischen Außenminister, und dem Geheimdienstchef. Also allein mit Vertretern der Regierung.
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