Wahl-Debakel der CSU: Bayern wird bunt

Die CSU verliert den Freistaat und findet sich als ganz normale Partei wieder. Huber und Beckstein müssen jetzt sogar einen Koalitionspartner suchen.

Vielleicht doch eher was für andere Parteien: Die bayerische Doppelspitze. Bild: ap

An einem normalen Wahlabend wäre das einfache CSU-Mitglied Martin Degenhardt für so einen Satz ordentlich abgewatscht worden. "Schlimmer hätte es nicht kommen können", brüllt der Mann von der Parteibasis in sein Handy. Er steht mit seinen Parteifreunden im Münchner Landtag, seine Gesicht ist gerötet: "Das ist eine Katastrophe."

Aber es ist kein normaler Wahlabend für die CSU, und so nimmt Degenhardt kurz nach sechs Uhr nur vorweg, was die CSU-Oberen kurze Zeit später sagen: "Kalt erwischt", erklärt Ministerpräsident Günther Beckstein. "Schwarzer Tag", verkündet der Parteivorsitzende Erwin Huber. Diese zwei Worte verwenden noch viele nach ihm. So ein schlechtes Ergebnis gab es seit 1962 nicht mehr.

Trotzdem versuchen die zwei Männer, die Edmund Stoiber 2007 verdrängten, die Niederlage auszusitzen. Ihr Argument: Gerade, weil die Lage so schlecht ist, brauchen wir Kontinuität. Beckstein will nun einen Koalitionspartner suchen. Huber sagt, es werde mit FDP, Freien Wählern und sogar mit der SPD geredet. Dann fällt ihm noch ein: "Ich sehe mich als Kapitän in der Verantwortung, diese Partei auch durch schweres Gewässer zu führen."

Ganz so leicht dürften sie damit nicht durchkommen. Schon zehn Minuten nach der erste Prognose betritt der Landtagsabgeordnete Ernst Weidenbusch den Raum der CSU im Landtag. Er hat sich im Wahlkampf vom geschassten CSU-Chef Edmund Stoiber unterstützen lassen. Zielsicher steuert Weidenbusch die erste Fernsehkamera an. Er lächelt. "Nach dem Wahlkampf ist das das Ergebnis, das ich erwartet habe", sagt er. Und dann schiebt er hinterher. "Ich bin ein Stoiberianer."

Wahlbeteiligung: 58,1% (+1,0)

CSU 43,4% (-17,3)

SPD 18,6% (- 1,0)

FW 10,2% (+ 6,2)

Grüne 9,4% (+ 1,7)

FDP 8,0% (+ 5,4)

LINKE 4,3% (--)

ödp 2,0% (+-0)

REP 1,4% (- 0,8)

NPD 1,2% (--)

BP 1,1% (+ 0,3)

Sitzverteilung im Landtag:

CSU: 92 (124), SPD: 39 (41), Grüne: 19 (15), Freie Wähler: 21, FDP: 16.

Der Landtag umfasst statt bisher 180 künftig 187 Mandate mit Überhang- und Ausgleichsmandaten.

Abkürzungen:

FW Freie Wähler Bayern

ödp Ökologisch-Demokratische Partei

REP Die Republikaner

NPD Nationaldemokratische Partei Deutschlands

BP Bayernpartei

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Kampagne "taz manipuliert"

Bayernwahl teuer

Durch das miserable Ergebnis der CSU muss auch die taz tief in die Taschen greifen. Der Deal bei der taz-Abokampagne "taz manipuliert die bayerische Landtagswahl" war: Pro Prozent, das die CSU unter der absoluten Mehrheit bleibt, gibt es einen Monat die taz kostenlos. 43 Prozent für die CSU - das macht satte sieben Monate à 32,50 Euro gratis. Weil bis Samstag Abend 50 unbefristete Abos mit der CSU-Klausel eingingen, verschenkt die taz insgesamt 11.375 Euro an diese Abonennten. Aber das Wunder von der Isar ist es uns wert.

www.taz.de/zeitung/abo/

Es dauert nicht lange, da meldet sich Horst Seehofer, der Bundeslandwirtschaftsminister. Ihn hätte Stoiber lieber als Parteivorsitzenden gesehen, doch er unterlag Huber. Seehofer ist nicht im Landtag, sondern zu Hause in Ingolstadt - genau an der Basis, soll das wohl symbolisieren, die Beckstein und Huber nicht verstanden haben.

"Ein einfaches ,Weiter so' wird nicht möglich sein", sagt Seehofer ruhig. Die Parteiführung habe sich darauf verständigt, über Konsequenzen hinter verschlossenen Türen zu entscheiden. Die Wähler hätten mit ihrem Stimmverhalten deutlich gemacht, dass sie Veränderungen wünschten. "Die Bevölkerung will ernst genommen werden, und das werden wir tun."

Am Montag wird der CSU-Vorstand in München über die Wahlpleite beraten. Schon in der Früh treffen sich die einflussreichen Bezirksvorsitzenden der Partei. Dort wird auch die Leistung von Generalsekretärin Christine Haderthauer beurteilt werden. Huber will sogar an ihr festhalten. Wird sie gehen müssen? "Die Frage stellt sich nicht", behauptet er. Dabei hat sie in ihrer Funktion die Verantwortung fürs Wahlkampfmanagement.

Haderthauer wirkt schockstarr an diesem Wahlabend und wiederholt, keine Einzelthemen in Interviews behandeln zu wollen. Wissenschaftsminister Thomas Goppel sagt: "Das allein der Generalsekretärin anzulasten, hielte ich für falsch." Man kann das auch so deuten: Dieses Bauernopfer würde nicht reichen.

Die SPD ist es schon gewohnt, sich bei Wahlpartys auch über 30-Prozent-Ergebnisse zu freuen. Die Bayern-SPD bringt aber sogar das Kunststück fertig, zu jubeln, wenn sie unter die 20-Prozent-Marke rasselt. "Das Ergebnis ist grandios", schwärmt Florian Kubsch, SPD-Stadtrat aus Königsbronn bei Augsburg auf der "roten Party" im Münchner Landtag. "Wenn es für diesen Zweck ist, bluten wir gern", ruft Andrea Niederhuber aus Weilheim in Oberbayern. "Ich bin froh, dass wir die Mehrheit der CSU gebrochen haben", frohlockt Christine Negele, Kandidatin aus dem Landkreis Miesbach. "Der Franz hat wirklich einen guten Wahlkampf gemacht."

Franz Maget hat die SPD-Fraktion 2000 von Renate Schmidt übernommen, 28,7 Prozent der Stimmen hatte die SPD damals. Vor fünf Jahren wurde Maget höchstens noch bemitleidet, als ihn die Agenda-Politik des sozialdemokratischen Kanzlers Gerhard Schröder herunterzog: Fast zehn Prozentpunkte minus, was selbst für die bayerische SPD furchtbare 19,6 Prozent ergab. Nun ist es noch mal ein Prozentpunkt weniger.

Auch die Wiederholung des Desasters in diesem Jahr führen Sozialdemokraten auf das schlechte Bild der Bundespartei zurück - konkret: das Vorsitzendenchaos und die Frage, wie die Partei mit der Linkspartei umgeht. "Die Leute wissen nicht, wie es mit der SPD weitergeht", sagt der Wahlkämpfer Kubsch.

Dagegen wird dem 54 Jahre alten Maget kaum Schuld angelastet. Mit nur 41 Abgeordneten hat er sich in den vergangen vier Jahren gegen die CSU zermürbt, die mit einer Zweidrittelmehrheit im Parlament tun konnte, was sie wollte. Er hat durchgezogen. Im Wahlkampf schwärmte er unbeirrt davon, nach einer CSU-Niederlage eine Viererkoalition aus Grünen, FDP und Freien Wählern zu schmieden, wie es die SPD 1954 geschafft hat. Auch jetzt schließt er so ein Wunder nicht aus. Die CSU sei "abgewählt", die anderen Kräfte müssten nun koalieren. Allerdings hat er selbst auch nur noch 39 Abgeordnete im Landtag - zwei weniger.

Daran glaubt am Wahlabend freilich kaum jemand von den angereisten Basis-Sozialdemokraten. Sie rechnen damit, dass die CSU auf jeden Fall mit der FDP oder mit den Freien Wählern koalieren wird, und poltern los: Gegen die Steigbügelhalter von der FDP genauso wie gegen die Freien Wähler, die sich auf kommunaler Ebene auch nicht zu schade seien, der CSU zu Mehrheiten zu verhelfen.

Dagegen ruft der Grünen-Chef Sepp Daxenberger kühn: "Es gibt eine Mehrheit jenseits der CSU." Der Spitzenkandidat der Freien Wähler, Hubert Aiwanger, erklärt zumindest: "Wir werden mit jedem reden." Anders die bayerische FDPlerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: Sie spricht sich gegen Experimente in einer Viererkoalition aus.

Die Freien Wähler sind bisher nur in Kreisen, Städten und Gemeinden eine ernst zu nehmende Kraft gewesen: Sie stellen 200 der bayerischen Bürgermeister. Doch jetzt kann sich der Niederbayer Hubert Aiwanger als Sieger feiern. "Ein Paukenschlag für Bayern", ruft der 37 Jahre alte Landwirt in den Steinernen Saal des Landtags.

Nur einer hat den Sonntag in Ruhe verlebt: Der von Huber und Beckstein abgesägte Edmund Stoiber, dem immer wieder nachgesagt wird, er arbeite für den Fall eines Ergebnisses unter 50 Prozent schon an Plänen für einen Umsturz in der CSU. Stoiber war am Wahltag mit seiner Familie zu Hause in Wolfratshausen. Er verbringe einen ruhigen Nachmittag, teilte Stoiber mit - "abgesehen von vielen Anrufen".

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