Wahl in Argentinien: Angekratztes Machtgefüge

Der Vorsprung des Favoriten Daniel Scioli bei der Präsidentschaftswahl in Argentinien fällt viel knapper als erwartet. Jetzt entscheidet eine Stichwahl.

Daniel Scioli hält den ausgestreckten Arm mit offener Hand nach vorne

Herzlich grüßt Daniel Scioli seine Anhänger. Foto: ap

BUENOS AIRES taz | Wer die Nachfolge von Argentiniens Präsidentin Cristina Kirchner antritt, wird in einer Stichwahl entschieden. Am Sonntag errang keiner der sechs Kandidaten die erforderliche Anzahl der Stimmen. Am 22. November stehen sich in der Stichwahl Daniel Scioli, der Kandidat der regierenden Frente para la Victoria, und Mauricio Macri vom Mitte-rechts-Bündnis Cambiemos gegenüber.

Eine Stichwahl zwischen den beiden war durchaus erwartet worden – nicht aber, dass es so knapp werden würde. Der konservative millionenschwere Unternehmersohn Marcri, amtierender Bürgermeister der Hauptstadt Buenos Aires, kam auf 34,7 Prozent. Daniel Scioli, Kandidat der nach wie vor mächtigen Präsidentin Cristina Kirchner und Gouverneur der Provinz Buenos Aires, erhielt 36,7 Prozent der Stimmen.

Mit diesem Ergebnis ist das Rennen völlig offen. Zumal der Drittplatzierte, Sergio Massa, 21,3 Prozent erhielt und als Abtrünniger der Kirchner-Partei seine Anhänger kaum zur Stimmabgabe für Daniel Scioli auffordern dürfte.

Dass im Kirchner-Lager das Zittern begonnen hat, war bereits am Wahlabend zu spüren. Gegen 22 Uhr, zwei Stunden vor der Bekanntgabe der ersten offiziellen Auszählungsergebnisse, trat ein noch kämpferischer Daniel Scioli unter dem Jubel seiner Anhänger auf die Bühne im Luna Park im Zentrum der Hauptstadt Buenos Aires. Als kurz nach Mitternacht offiziell die ersten Ergebnisse verkündet wurden, stand seinen Anhängern nur noch Fassungs-losigkeit ins Gesicht geschrieben.

„Heute hat sich die politische Landschaft verändert“

Freudentaumel und Jubeltänze dagegen wenige Kilometer weiter am Ufer des Río de la Plata. Bereits anderthalb Stunden nach Schließung der Wahllokale hatte die Wahlkampfleitung von Mauricio Macri den Einzug in die Stichwahl verkündet. Strahlend trat der Kandidat zu später Stunde und noch immer ohne offizielle Ergebnisse vor seine Anhänger und ließ sich feiern. „Heute hat sich die politische Landschaft verändert“, so Macris Botschaft. Damit ist vor allem der Einbruch in die Vorherrschaft der Kirchner-Partei gemeint.

Dass ihm dies gelungen ist, beweist der Erfolg seiner Kandidatin bei der Gouverneurswahl in der wahlstrategisch wichtigen Provinz Buenos Aires, in der ein Drittel der rund 32 Millionen Wahlberechtigten leben. Sie galt bis Sonntag als Hochburg der Regierungspartei und Sciolis eigenes Terrain. Überraschend gewann mit Maria Eugenia Vidal die Kandidatin des Mitte-rechts-Bündnisses Cambiemos. Sie tritt nun die Nachfolge von Daniel Scioli an.

In der Provinz Buenos Aires verlor der Kirchnerismus die Gouverneurswahlen

Zweifelhafter Ruf

Der Schuldige an dem ganzen Debakel ist denn auch schon ausgemacht: Cristina Kirchners Kabinettschef Anibal Fernández. Die Präsidentin selbst hatte ihn als Kandidaten für die Gouverneurswahl in der Provinz Buenos Aires bestimmt. Dass Fernández verlor, dürfte auch seinem zweifelhaften Ruf geschuldet sein. Hartnäckig wird er mit dem illegalen Handel von Ephedrin in Verbindung gebracht, das zur Drogenherstellung verwendet wird. Von Fernández war am Wahlabend nichts zu sehen und zu hören.

Wie weit das jetzt ausgelöste politische Beben das Machtgefüge der noch bis zum 10. Dezember amtierenden Präsidentin Kirchner und ihrer Partei erschüttert, ist auch einen Tag nach den Wahlen noch nicht abzusehen. Klar ist nur, dass der Einzug in die Casa Rosada erstmalig durch eine Stichwahl entschieden wird. Denn 2003 trat der im ersten Wahlgang noch erstplatzierte Carlos Menem nicht zur Stichwahl an. Néstor Kirchner wurde damals als Zweitplatzierter in der ersten Runde als neuer Präsident vereidigt.

Sein Vize damals: Daniel Scioli.

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