Wahl in Berlin: Stimmung mau in der BVV

Berlins Bezirksverordnetenversammlungen konstituieren sich nach den Wahlen neu mit AfD-Mitgliedern. Draußen wird protestiert, drinnen hält man sich an die üblichen Regularien.

In Neukölln bleibt die Neue die Neue: Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) führt den Bezirk. Foto: dpa

Immer tanzen die Kreuzberger aus der Reihe. Alle Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) haben sich am Donnerstag konstituiert. Einige haben sogar schon ihre Bürgermeister und Stadträte gewählt. In Friedrichshain-Kreuzberg dagegen fiel die Kandidatin der Grünen bei der Wahl zur BVV-Vorsteherin zweimal durch. Die Sitzung wurde daraufhin vertagt.

Affront in Kreuzberg

Grüne, SPD und Linke bilden in dem Bezirk eine Zählgemeinschaft. Als stärkste Fraktion fällt den Grünen das Vorschlagsrecht für den BVV-Vorsteherposten zu. Ihre Kandidatin: die 54-jährige Kristine Jaath. Sie hat die BVV schon in den vergangenen fünf Jahren geleitet. Dass ihr nun SPD und Linke die Stimmen verweigerten, kam für die Grünen völlig überraschend. „Das ist ein Affront“, sagte der grüne Fraktionschef Julian Schwarze zur taz. Er hoffe, dass so ein „Foulspiel“ nicht Schule mache. Immerhin seien die drei Parteien auch auf Landesebene an einer guten Zusammenarbeit interessiert. Am Montag will Schwarze mit Vertretern von SPD und Linken den weiteren Fahrplan besprechen.

Dass es Kritik an Jaaths Führungsstil gibt, war am Donnerstag nur in direkten Gesprächen zu erfahren. „Jaath ist der Aufgabe nicht gewachsen“, sagte Susanne Kustak (Linke) zur taz. Das habe sich in der letzten Periode gezeigt, als Flüchtlinge und Autonome die BVV stürmten. Jetzt, wo sechs Parteien im Bezirksparlament säßen, würden die Sitzungen noch turbulenter, glaubt Kustak. Riza Cörtlen (Die Partei) war der einzige, der Jaath am Rednerpult direkt mit Kritik konfrontierte. „Sie haben den Saal mit Polizeigewalt räumen lassen.“ Der grüne Fraktionschef wies die Behauptung zurück: „Geräumt wird hier in Kreuzberg nicht.“ Die Polizei sei bei einigen hitzigen Sitzungen aus eigenen Sicherheitserwägungen vor Ort gewesen. Mehr aber auch nicht.

Protest in Lichtenberg

In Lichtenberg protestierten vor Beginn der Sitzung rund 100 Menschen lautstark vor den BVV-Räumen. Die AfD-Fraktion, drittstärkste in der BVV, steht hier besonders weit rechts: Heribert Eisenhardt, regelmäßiger Redner bei den rechtsextremen Bärgida-Demonstrationen und Teilnehmer an mehreren weiteren Neonazi-Aufmärschen in diesem Jahr, sitzt ebenso in der BVV wie Falk Rodig, der bei der letzten Wahl für die islamfeindliche Partei „Die Freiheit“ antrat. AfD-Stadtrat soll der im Publikum sitzende Wolfgang Hebold werden. Der Privatdozent hatte im Frühling seine Lehraufträge an mehreren Hochschulen verloren, weil er sich im Internet und in seinen Seminaren islamfeindlich geäußert haben soll. Gegen ihn läuft ein Verfahren wegen Volksverhetzung. Die Stadträte sollen in der nächsten Sitzung gewählt werden.

Auch die anderen Parteien machten ihren Protest gegen die Neuen deutlich: An allen Stühlen außer denen der CDU-Fraktion hingen Wimpel des Gegen-Rechts-Bündnisses Bunter Wind für Lichtenberg, das auch zu den Protesten aufgerufen hatte. Der AfD-Kandidat für den Vorstandsbeisitz fällt im ersten Wahlgang durch, im zweiten schafft er es knapp. Der Alterspräsident betont in seiner Eröffnungsrede, oberstes Ziel solle bleiben, dass sich in Lichtenberg alle Menschen wohlfühlen können – von der AfD gibt es dafür keinen Applaus.

Ben Gurion in Steglitz

Im Zehlendorfer BVV-Saal bekommt die AfD-Fraktion ihr erstes Amt ganz ohne Wahl: Lutz Ammer, einer ihrer sechs hiesigen Bezirksverordneten, leitet als Alterspräsident die erste Sitzung, bis CDU-Mann René Rögner-Francke als Vorsteher des Bezirksparlaments gewählt ist. Ammer erledigt die Sache ohne Aufsehen und zitiert am Ende den früheren israelischen Ministerpräsidenten David Ben Gurion, wonach kein Realist ist, wer nicht an Wunder glaubt.

Ein Stadtratsposten steht der AfD in Steglitz-Zehlendorf nicht zu – die sollen sowieso erst im November besetzt werden. Die SPD hat für einen der zwei ihr dabei zustehenden Posten einen überregional bekannten Namen nominiert: die ehemalige Juso-Bundeschefin Franziska Drohsel, ihre stellvertretende Kreisvorsitzende.

Auch in Charlottenburg-Wilmersdorf und Neukölln kam es zu friedlichen Protesten gegen die AfD, die dort künftig in den Bezirksparlamenten vertreten ist. BürgermeisterInnen wurden bisher nur in den Bezirken Mitte, Neukölln, Treptow-Köpenick, Pankow und Reinickendorf gewählt.

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