Wahl in den USA 2016: Clinton will es wissen

Alleinstellungsmerkmal: Sie ist kein Mann und kämpft für Geschlechtergerechtigkeit. Hillary Clinton hat ihre Kandidatur für die Präsidentschaft erklärt.

Clinton hatte die Kandidatur noch nicht bekannt gegeben, da rüsteten sich schon Unterstützerinnen für ihre Kampagne. Bild: ap

NEW YORK taz | Eine Erneuerung sieht anders aus. Hillary Clinton gehört gefühlt schon immer zur Firma dazu: als First Lady – erst in Arkansas, dann im Weißen Haus in Washington –, als Senatorin für New York und als eine der langlebigsten AußenministerInnen. Ihr Gesicht, ihre Familie, ihr Leben – das politische wie das private –, ihre Erfolge und ihre Misserfolge sind enge Vertraute. Zu Hause wie im globalen Dorf. Ihre zweite Kandidatur für die Präsidentschaft der USA (hier ihre Ankündigung per Video) ist wie die lang erwartete Bestätigung einer Selbstverständlichkeit.

Hillary Clinton steht für Kontinuität. Und für einen geradezu dynastischen Anspruch auf die Macht, der bei diesen Präsidentschaftswahlen – wo auch bei den Republikanern zwei Verwandte antreten – so präsent wie lange nicht mehr ist. Bei Hillary Clinton ist es nicht nur Bill, der Gatte, der zweimal Präsident war. Sondern auch Chelsea, die Tochter, die mit Cover-Illustrierten-Fotos die Kandidatur ihrer Mutter unterstützt. Und Charlotte, das Baby und Enkelkind, das als Beleg für die neue Identität der Kandidatin als Großmutter herhalten muss. Und da ist die familieneigene „Clinton-Foundation“, die mit Millionen-Unterstützung aus der ganzen Welt, darunter auch von so fragwürdigen Spendern wie Saudi-Arabien und Ölkonzernen aus Kolumbien, politische Themen setzt.

Während die Clinton-Maschine gut geölt anrollt, hat sich das Land radikal verändert. Zwar scheint die Rezession überwunden, die Arbeitslosigkeit ist fast wieder auf den Stand von vor 2008 gesunken und Unternehmen investieren erneut. Aber die USA sind tiefer gespalten als je: Sie zerfallen in eine kleine Gruppe von skandalös reichen Krisengewinnern und in eine Mittelschicht, deren reales Einkommen im besten Fall stagniert, in vielen Fällen jedoch rückläufig ist, und deren Aufstiegshoffnungen schwinden. Sie zerfallen in eine Hauptstadt, die von einer lähmenden, institutionellen Krise in die nächste taumelt, und in ein riesiges Hinterland, wo die Glaubwürdigkeit der politischen Institutionen radikal bestritten wird. Und die USA sind international in einer Gemengelage, in der die offizielle Beendigung der längsten Kriege der US-Geschichte mit einer Vielfalt von neuen, unübersichtlicher werdenden Fronten kontrastiert.

Clinton ist federführend für das mitverantwortlich, was in ihrem Land geschieht. Sie ist seit drei Jahrzehnten eine Macherin an der Spitze. Als First Lady hat sie den gescheiterten Versuch einer Gesundheitsreform geleitet, sie hat die tiefen Einschnitte ihres Gatten in den Wohlfahrtsstaat gerechtfertigt, und sie hat sich den Ruf eines schwierigen Umgangs mit den Medien verdient. Als Außenministerin unter Obama hat sie mehr Reisen gemacht und mehr Kilometer zurückgelegt als jedeR AmtsvorgängerIn. Aber die großen außenpolitischen Fortschritte – die Iran-Verhandlungen und das Ende der Eiszeit mit Kuba – brachte nicht sie, sondern ihr Nachfolger John Kerry zustande.

Wann? Die 58. Wahl des Präsidenten der USA findet am 8. November 2016 statt. Barack Obama kann nicht erneut kandidieren, weil er bereits zwei Amtszeiten absolviert hat.

Wer? Bei den Republikanern haben bisher der texanische Senator Ted Cruz und der Senator aus Kentucky, Rand Paul, ihre Kandidatur in den Ring geworfen. Am Montag will Senator Marco Rubio aus Florida seine Kandidatur erklären. Der Gouverneur von Wisconsin, Scott Walker, bereitet sich ebenfalls vor. Als heißer Kandidat wird Jeb Bush, Bruder von George W. Bush und früherer Gouverneur von Florida, gehandelt. Weitere Kandidaturen sind wahrscheinlich.

Wie? In Vorwahlen in den US-Bundesstaaten bestimmen die jeweiligen Parteianhänger ihren Kandidaten. Diese Vorwahlen werden sich von Januar bis Juni 2016 hinziehen, am Ende steht ein Kandidat mit Stimmenmehrheit. Im Sommer 2016 werden die Präsidentschaftskandidaten auf Parteitagen offiziell gekürt und der eigentliche Wahlkampf beginnt. (taz)

In Clintons Amtszeit fallen die Intensivierung des Drohnenkriegs, die Aufstockung der US-Truppen in Afghanistan, das Bombardement von Tripolis, das Erstarken bewaffneter dschihadistischer Organisationen und ein wachsender Antiamerikanismus. Nachdem sie 2013 zurücktrat, um ihre Präsidentschaftskandidatur vorzubereiten, hat sie Obamas Syrienpolitik als zu zaghaft kritisiert, hat sie die Annexion der Krim – und den russischen Präsidenten – mit Hitlers Aktionen verglichen und sie hat gegen Edward Snowden gewütet, der das Ausmaß der globalen Daten-Schnüffelei der Vereinigten Staaten enthüllt hat. Aber zur Todesstrafe hat sie sich nicht geäußert.

Zu Ferguson, wo nach der Erschießung des unbewaffneten, schwarzen Teenagers Michael Brown eine neue Protestbewegung entstand, sind ihre Stellungnahmen selten und bedeckt geblieben. Und als herauskam, dass sie als Außenministerin ihre komplette Kommunikation über einen privaten E-Mail-Server abgewickelt hat, wartete sie Wochen ab, bevor sie sich öffentlich äußerte.

Verteidigung der Mittelschicht

Was also bringt diese Frau mit, die als aussichtsreichste – und bislang einzige – Kandidatin der Demokratischen Partei ins Weiße Haus strebt? Was bietet sie den Wählern? In den vergangenen Monaten hat Clinton verstärkt über die Verteidigung der Mittelschicht gesprochen. Sie hat mehr soziale Gerechtigkeit versprochen. Und über die Freihandelsverträge, die sie – genau wie Obama und wie die republikanischen Präsidentschaftskandidaten – abschließen will.

Doch ihr Leitmotiv ist ihr Frausein. Sie spricht über gleichen Lohn. Über Geschlechtergerechtigkeit und über die Teilhabe an Macht. Und sie hat – bei nationalen Kongressen und vor den Vereinten Nationen – die deutliche Frage gestellt: „Wollen die USA eine Frau an der Spitze haben?“ Die Antwort – das legen die Umfragen nahe – scheint positiv zu sein. Die Wähler sind bereit, einer Frau das Vertrauen zu geben – so wie sie 2008 bereit waren, einem Afroamerikaner ihre Stimme zu geben.

Doch jenseits dieser Neuheiten überwiegen die Unterschiede zwischen 2008 und 2016. Obama war jung, er kam von außen und er hatte sich in Opposition zum damals größten Problem seiner Zeit positioniert: dem Irakkrieg. Clinton kommt aus dem Establishment. Sollte sie die Wahl gewinnen, wird sie in ihrem ersten Amtsjahr ihren 70. Geburtstag feiern.

Im jetzt beginnenden Wahlkampf ist das Frausein nicht nur ein politisches Programm. Es ist zugleich eine Waffe. Alle Republikaner, die bislang gegen Clinton antreten, sind Männer, sind eine Generation jünger und bestreiten ihre Wahlkämpfe mit der Leidenschaft von Kandidaten, die von außen kommen. Clinton steht einer geschlossenen Wand von Männern gegenüber. Für sie kann das eine Chance sein. Für die Männer hingegen bedeutet es: Vorsicht vor der Sexismus-Falle.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.