Wahlen in Berlin: So platzt die AfD-Blase nicht

Die Berliner WahlkämpferInnen könnten aus dem AfD-Ergebnis in Mecklenburg-Vorpommern einige Lehren ziehen. Die Frage ist: Wollen sie das überhaupt?

Demo gegen die AfD in Berlin Foto: DPA

Man kann es sich nach der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern und den 20,8 Prozent für die AfD einfach machen: Erstens ist Meck-Pomm nicht Berlin – weder strukturell noch politisch oder kulturell. Was stimmt. Zweitens lässt sich aus den Ergebnissen wenig herauslesen, was nicht schon bekannt gewesen wäre. Was auch stimmt. Die AfD mobilisiert sehr viele NichtwählerInnen; sie erhält außerdem relativ gleichmäßig Stimmen von früheren CDU-, SPD- und LinksparteiunterstützerInnen; eher die sozial Schwächeren wählen sie, aber nicht nur, und den meisten Anhängern geht es nicht um politische Inhalte, sondern um Protest.

Dazu kommt: Da mit der SPD am Sonntag eine etablierte Partei überraschend stark abschnitt, kann man sich sagen, dass die AfD-Ergebnisse in dem Bundesländchen nicht so schlimm seien.

Wenig deutet darauf hin, dass es in Berlin am Abend des18. September wirklich schlimm wird: Die Umfragen – auch das hat sich am Sonntag gezeigt – sind belastbar; man muss nicht befürchten, dass aus 13 Prozentpunkten für die AfD in der Befragung letztlich 18 Prozent an der Urne werden. Die AfD wird vielleicht bei 13, vielleicht bei 15 Prozent landen, wenn es gut läuft auch bei 12, aber damit nicht in den Top vier der Parteien. Dass sie reinkommt, bei derzeitigen Umfragewerten von 10 bis 15 Prozent, ist wiederum sehr wahrscheinlich. Es noch verhindern zu können, wäre fast schon ein Wunder.

Entspannt zurücklehnen?

Man könnte sich also zurücklehnen und sagen: Angesichts der aktuellen politischen Umstände ist das halt so mit der AfD. Was in ein paar Jahren sein wird? Ob die Partei sich bis dahin vielleicht von selbst zerlegt hat? Wer weiß das schon!

Und doch wären diese 12, 13, 15 Prozent für die AfD am18. September Ausdruck einer vergebenen Chance. Im Vorfeld des Wahlkampfs haben Piraten und CDU, SPD, Linke und Grüne versprochen, die Rechtspopulisten zu stellen, ihnen etwas entgegnen zu wollen. Das tun sie auch ein bisschen, an Ständen, auf der Straße, mit ein paar Plakaten. Aber eigentlich findet kein Wahlkampf statt: Es gibt kein Thema, über das gestritten wird, das polarisiert, das die BerlinerInnen daran erinnert, dass etwas am 18. September zur Wahl steht.

Diese Abwesenheit von politischem Streit über Inhalte ist in Berlin besonders absurd, angesichts einer teilweise desolaten Verwaltung, dem BER, der Miet­entwicklung und immer volleren Straßen. Stattdessen bleibt das Gefühl, dass sich die Parteien vor jeder Reibung drücken aus Angst, damit der AfD sonst argumentativ in die Hände zu spielen. Bei dem Thema Flüchtlinge mag das ja berechtigt sein. Aber bei den vielen anderen? Wo bitte bleibt die Spannung, der Spaß an der Debatte, die Freude an der Politik?

Mit dieser Scheu vor den durchaus von vielen Menschen als brennend verstandenen Themen machen es SPD, CDU und Co. der AfD einfach. Von den Rechtspopulisten werden keine politischen Positionen eingefordert, sie werden nicht auf Kompetenz untersucht, sie müssen nicht präsent sein – stattdessen gewinnen sie ungehindert Stimmen durch Abwesenheit. Dass die Partei sich beispielsweise keineswegs für Arme einsetzt, sondern in Sachen Sozial- und Wirtschaftspolitik im Kern neoliberale Ziele verfolgt, wird nicht thematisiert.

Anders als in Meck-Pomm kennt in Berlin fast niemand den AfD-Spitzenkandidaten. Georg Pazderski – wer ist das? Für das nördliche Bundesland galt der Spruch, dass die AfD dort auch ein Pferd hätte aufstellen können mit dem gleichen Erfolg. Für Berlin gilt: Das Pferd muss nicht mal einen Namen haben. Für Meck-Pomm gilt: Das Flüchtlingsthema hat den Wahlkampf dominiert. Für Berlin gilt: Hier sind die Rechten ganz ohne Thema erfolgreich. Was wirklich peinlich ist.

Zurück zur Regierung. Seit dem Heiratsantrag von Michael Müller an die Grünen ist klar, auf welche Farbkombination es in Berlin nach der Wahl hinauslaufen wird: Da Rot-Grün laut Umfragen weit von einer Mehrheit entfernt ist, gibt es keine andere Option mehr als eine gemeinsame Regierung aus SPD, Grünen und Linken. Die Folge: Bei einigen PolitikerInnen im linken Lager hat sich bereits Siegeseuphorie eingestellt. Auch das motiviert nicht unbedingt zur Auseinandersetzung mit einem politisch schwierigen Gegner wie der AfD.

Welche Berliner Partei ist am meisten bedroht durch einen Erfolg der AfD? Die CDU, könnte man meinen, ähnlich wie in Mecklenburg-Vorpommern.

Denn mit den Rechtspopulisten säße eine direkte politische Konkurrenz im Abgeordnetenhaus; auch die Kritik an Kanzlerin Angela Merkel würde noch mal zunehmen, obwohl die Union in Berlin stärker bleiben dürfte als die AfD.

Kai Wegner, Generalsekretär der Landes-CDU, hat recht, wenn er sagt: „Wir müssen den AfD-Wählern noch besser klarmachen, dass nur wir die Konzepte, die Erfahrung und die Fähigkeit haben, um diese Bewährungsprobe für Deutschland und Europa zu bestehen.“ Angesichts der Lagerbildung wird man aber genau hinschauen müssen, ob es stimmt, dass die Union der AfD „nicht hinter-herlaufen“ wird, wie Wegner betont.

Webseite gegen die AfD

Die Grünen – deren Klientel am stabilsten gegen Abwanderung an die Rechtspopulisten ist – haben am Montag eine Webseite mit Argumenten gegen die AfD freigeschaltet. Offenbar treibt sie die Angst um, dass vor allem Amtsinhaber Michael Müller und seine SPD die Stimmen nun besorgter Nicht-AfD-WählerInnen bekommen. „Wer aus Sorge vor einem Rechtsruck für SPD oder Linke stimmt, wird wahrscheinlich fünf weitere Jahre Große Koalition erleben“, so die Grünen in der Ankündigung der Webseite.

Da stellt sich die Frage, ob es Sinn macht, innerhalb des linken Spektrums auszuteilen – oder ob ein klassischer Lagerwahlkampf zwischen Konservativen und Progressiven nicht der prägnantere Weg wäre, in den verbleibenden zwölf Tagen bis zur Wahl, die Profile der Parteien zu schärfen.

Denn klar ist: Da die AfD viele NichtwählerInnen mobilisiert – was ja an sich gut ist –, müssen alle anderen Parteien ihren UnterstützerInnen klarmachen, dass auch sie unbedingt wählen gehen müssen, um diesen Nachteil auszugleichen. Ob diese Mobilisierung noch gelingen kann? Schwer zu sagen.

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