Wahlen in Serbien: Die Taktik des Rufmords

Unglaubwürdig, gespalten, hässlich: Der serbischen Regierungspartei und ihrem Chef Boris Tadic droht am Sonntag eine Wahlniederlage.

Präsidentschaftskonkurrenten: Boris Tadic (links) für eine „sichere Zukunft“, Tomislav Nikolic (rechts) für ein „ehrliches und erfolgreiches Serbien“. Bild: dapd

BELGRAD taz | „Wählt eine sichere, europäische Zukunft, wählt uns“, ruft Boris Tadic auf seinen Reisen durch Serbien. „Wir haben die Visapflicht für die Schengen-Staaten abgeschafft und den EU-Kandidatenstatus bekommen. Helft uns zu beenden, was wir gemeinsam begonnen haben, helft uns Serbien in die Europäische Union zu führen“, sagt der Präsidentschaftskandidat und Chef der regierenden Demokratischen Partei (DS). Er verspricht mehr Auslandsinvestitionen, neue Jobs und einen besseren Lebensstandard.

Am kommenden Sonntag finden Präsidentschafts-, Parlaments- und Kommunalwahlen statt. Doch es ist fragwürdig, ob Tadic’ Versprechen beim Volk noch ankommen. Die soziale Misere drückt, Unternehmen machen massenhaft Konkurs, die Arbeitslosigkeit liegt bei 23 Prozent, der serbische Dinar erreicht Rekordtiefwerte. Mit einem Durchschnittseinkommen von rund 360 Euro kommen die meisten kaum über die Runden, eine Million Menschen leben an oder unter der Armutsgrenze.

Das ist die Bilanz der Koalitionsregierung, die die DS anführte. Aus der Sicht der Bürger zog Tadic als Präsident in den vergangenen vier Jahren alle Fäden im Lande und führte durch die Hintertür das Präsidentschaftssystem ein. „Das sind doch alles Diebe“, kann man überall hören, wo über Politik gesprochen wird. Die DS muss Wahlabstinenz ihrer Anhänger fürchten.

Tadic trat als Präsident neun Monate vor dem Ende seiner Amtszeit zurück, um zu ermöglichen, dass alle Wahlen an einem Tag stattfinden können. Er konnte so in die Wahlkampagne der DS eingespannt werden. Prompt redeten Kritiker von einer „Verhöhnung des höchsten Staatsamtes aus Parteiinteressen“ und von „Amtsmissbrauch“.

Die alte Taktik geht nicht mehr auf

Noch vor vier Jahren konnte Tadic die Wahlen zu einem schicksalhaften „Ja oder Nein zu Europa“ stilisieren. Damals stand der DS die ultranationalistische Serbische Radikale Partei (SRS) mit ihrem wegen Kriegsverbrechen vom UN-Tribunal angeklagten Führer Vojislav Seselj gegenüber. Europa atmete auf, als Tadic mit einer hauchdünnen parlamentarischen Mehrheit eine proeuropäische Regierung auf die Beine stellte.

Heute geht diese Taktik nicht mehr auf. Die SRS hat sich gespalten, unter Führung von Tomislav Nikolic entstand die Serbische Fortschrittspartei (SNS). Über Nacht änderte Nikolic den Kurs, setzte sich für den Beitritt Serbiens zur EU ein. Auf der Welle der Unzufriedenheit überholte die SNS in Umfragen die konsequent europafreudige DS.

Nikolic hat gute Chancen, Tadic in der Stichwahl zu schlagen. 2008 betrug der Unterschied zwischen den beiden knapp 2,5 Prozent. „Glaubt denen nicht“, warnt Tadic, dessen Partei Nikolic massiv attackiert. Werbespots zeigen, wie Nikolic gegen Europa wetterte, sich heute aber für die EU einsetzt. Wie er von Kriminellen umgeben ist und dass er sein Diplom gefälscht haben soll. „Spielt nicht mit eurer europäischen Zukunft“, lautet der Slogan. „Schenkt euer Vertrauen jenen, die immer für eine europäische Zukunft Serbiens waren.“

Negative Wahlkampagne

Die DS setzt auf Rufmord, ihre Wahlkampagne ist rein negativ und ansonsten inhaltsleer. „Serbien geht in Korruption unter“, entgegnet Nikolic und verspricht „ein ehrliches, sauberes“ Land. Seine kriegshetzerische, nationalistische Rhetorik hat er abgelegt. Er baut auf den Unmut der Bevölkerung.

„Ich werde einen ungültigen Stimmzettel abgeben“, sagt die emeritierte Professorin Srbijanka Turajlic. „Eine Partei in Serbien zu wählen hieße, ihr einen Persilschein für noch mehr Korruption und den Abbau demokratischer Institutionen zu geben.“ Die prominente Kämpferin für Demokratie trifft ins Schwarze. Für viele bürgerliche Wähler hat die DS an Glaubwürdigkeit verloren, die Ex-Kriegshetzer sind keine Option. Zwölf Jahre nach der Wende herrsche in Serbien ein „partitokratisches System“, erklärt Turajlic. Alles werde Parteiinteressen untergeordnet, das Parlament habe sich in einen Ort des „Händchenhebens“ verwandelt.

Mit ihrem Statement löste Turaljic eine heftige Debatte aus. Der Wahlkampf dreht sich populistisch um soziale Themen. Alle 18 Parteien und Bündnisse und die 12 Präsidentenkandidaten versprechen einen Kampf gegen Korruption und für neue Jobs, Auslandsinvestitionen und einen besseren Lebensstandard. Das Kosovo wird kaum erwähnt, außer von der SRS und der Demokratischen Partei Serbiens (DSS) von Expremier Vojislav Koctunica, die gegen die EU sind. Die DS und SNS haben keine Chance auf eine absolute Mehrheit, sie brauchen Partner für eine Koalition. Doch egal wer an die Macht kommen wird: Ein Reformwille ist nicht zu erkennen.

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