Wahlen in der Jüdischen Gemeinde Berlin: "Schlag in die Magengrube"

Berlins Jüdische Gemeinde hat unter geringer Beteiligung ihren Vorstand gewählt. Neuer Vorsitzender wird wahrscheinlich der Ex- Geschäftsführer der Treberhilfe, Gideon Joffe.

Nicht sehr voll: Synagoge in Berlin. Bild: dpa

BERLIN taz | Die größte jüdische Gemeinde in Deutschland hat gewählt. Doch die Wahlbeteiligung war bescheiden: Lediglich 27 Prozent - also nur knapp mehr als ein Viertel - ihrer rund 9.000 wahlberechtigten Mitglieder gaben am Sonntag in Berlin ihre Stimme für die neue Repräsentantenversammlung ab. "Ich bin schockiert über die geringe Wahlbeteiligung", zeigte sich die amtierende Vorsitzende Lala Süsskind enttäuscht. "Das ist ein Schlag in die Magengrube", sagte sie der Jüdischen Allgemeinen.

Das 21-köpfige Leitungsgremium der jüdischen Gemeinde wird alle vier Jahre neu gewählt. Seine Mitglieder bestimmen den Vorstand und beschließen den Wirtschaftsplan der Gemeinde, die in der Hauptstadt sechs Synagogen sowie Schulen, eine Kindertagesstätte sowie Senioren- und Freizeiteinrichtungen und ein Integrationsbüro für Zuwanderer unterhält. Als größte jüdische Gemeinde in Deutschland besitzt ihr Vorstand auch über die Hauptstadt hinaus Gewicht.

Lala Süsskind selbst war nicht noch einmal angetreten, sie zieht sich "aus persönlichen Gründen" nach vier Jahren aus ihrem Amt zurück. Ihre bisherige Stellvertreterin, die Schuldezernentin Mirjam Marcus, verpasste knapp den Einzug in die neue Versammlung. Damit hat Süsskinds Amtsvorgänger, der 38-jährige Betriebswirt Gideon Joffe, nun beste Chancen, auch ihr Nachfolger zu werden. Nach dem Exdiplomaten Alexander Brenner, einem anderen ehemaligen Vorsitzenden der Gemeinde, entfielen auf Joffe die meisten Stimmen. Zudem wurde seine Fraktion "Koach!" (Hebräisch für "Stärke") stärkste Kraft im Gemeindeparlament.

Neue Impulse?

Ob Joffe der jüdischen Gemeinde neue Impulse bringen kann, ist allerdings fraglich. In seiner ersten Amtszeit von November 2005 bis Februar 2008 hinterließ er ihr ein Millionenloch im Gemeindeetat. Und als Mitglied des Gemeindeparlaments fiel er anschließend vor allem dadurch auf, dass er sich konsequent weigerte, den von der Gemeindeleitung forcierten Sparplan zu unterstützen. Zuletzt war Joffe für ein knappes Jahr Geschäftsführer der Berliner Treberhilfe, die er aber nicht vor der Insolvenz retten konnte.

Joffes größter Konkurrent ist der 36-jährige Sergey Lagodinsky. Der Rechtsanwalt, der im vergangenen Jahr wegen des gescheiterten Parteiausschlussverfahrens gegen Thilo Sarrazin aus der SPD ausgetreten war und sich den Grünen angeschlossen hatte, war Spitzenkandidat der Opposition "Schalom", die zweitstärkste Kraft wurde.

Wer auch im Januar zum neuen Vorstand gewählt wird, hat große Aufgaben zu meistern: Er muss alle religiösen Strömungen unter einen Hut bringen, das strukturelle Finanzproblem der Gemeinde angehen und die Integration der russischsprachigen Einwanderer vorantreiben. Sie stellen heute 80 Prozent der Gemeinde.

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