Wahlkampf der Linken: „Manchmal klappt das“

Die beiden Landesvorsitzenden der Linken über einen möglichen Politikwechsel, das finanzpolitische WG-Modell und Auswege aus dem Schlangennest.

Ermahnungen müsste Bremen auch mal aushalten und viel stärker in die Offensive gehen, sagen die beiden Landeschefs der Linken Bild: BES

taz: Herr Spehr, Frau Achelwilm, vor vier Jahren noch ein Schlangennest, wirkt Die Linke in Bremen zu Beginn des Wahlkampfs so harmonisch. Wie kommt’s?

Christoph Spehr: Ein Unterschied zu früher ist: Wir machen mittlerweile Landespolitik. Natürlich interessiert uns auch, was in der Bundespartei vorgeht, aber wir müssen nicht hier alle deren Konflikte bearbeiten. Wir sind nicht deren Unterabteilung, sondern machen unseren Job hier vor Ort. Das klärt vieles.

Mindestens zerlegt sich Die Linke also nicht mehr wegen des Israel-Palästina-Konflikts?

Doris Achelwilm: Diese Konflikte, Themen und Diskussionen sind nicht einfach weg, Parteien sind keine Orte der Harmonie. Das müssen sie auch nicht sein. Es gibt aber einen anderen Umgang untereinander. Die Partei weiß: Man muss auch mal zwei Stränge nebeneinander stehen lassen können, nicht unkommentiert, aber als einen Diskussionsstand, den man nun auch nicht mit einem Schlag lösen kann.

Dann bleibt ja nur die Schwierigkeit, dass jetzt Wahlen sind und keiner weiß, wozu?

Christoph Spehr: Ich finde das gar nicht so schwierig zu beantworten. Es ist klar, dass es keine Überraschungen geben wird, keinen Macht- oder Regierungswechsel.

Na eben!

Christoph Spehr: Aber das Kräfteverhältnis im Parlament wird ganz klar beeinflussen, wie eine ganze Reihe offener und strittiger Fragen beantwortet wird.

51, ist Autor, seit 2005 Mitglied und seit 2008 Landesvorsitzender von der Partei Die Linke. Außerdem ist er Mitarbeiter ihrer Bürgerschaftsfraktion.

38, ist Kulturjournalistin und Pressesprecherin der Bürgerschaftsfraktion und seit November 2013 Landesvorsitzende der Partei Die Linke.

Welche Fragen?

Christoph Spehr: Zum Beispiel, ob es mehr Geld gibt für die Bildung, oder auch: Was geschieht mit den Abfallbetrieben, werden die nun wieder rekommunalisiert oder nicht?

Doris Achelwilm: Ich erwarte auch nicht, dass der Wahlkampf mau wird – selbst wenn ich mir nur schwer vorstellen kann, wen die CDU mit ihren verschwommenen Motiven begeistert, und die SPD mit ihren Plakaten noch nicht so recht rausgekommen ist. Aber insgesamt ist da doch viel Druck dahinter. Denn alle wissen: In der kommenden Legislatur werden Weichen gestellt auch für die Zeit nach 2020. Von daher wird der Wahlkampf nicht zum Regierungs-, aber vielleicht zu einem Politikwechsel führen.

Ohne Regierungswechsel bleibt’s beim Konsolidierungspfad – wie soll denn da ein Politikwechsel eintreten, sofern Bremen nicht die Bedingungen reißt?

Doris Achelwilm: Es wäre ja schon mal schön, wenn viel mehr darauf hingewiesen würde, dass diese Bedingungen nicht erfüllbar sind! Bremen müsste viel stärker in die Offensive gehen bei der Altschuldenproblematik und die Frage der Vermögenssteuer forcieren – auch wenn beides nicht von Bremen alleine zu bewerkstelligen ist.

Na, ich kann schlecht Partner gewinnen, wenn ich mich aus den Vereinbarungen ausklinke!

Christoph Spehr: Bremen ist ja davon noch sehr weit entfernt.

Der Haushalt ist total auf Kante genäht, sagt Karoline Linnert.

Christoph Spehr: Es gibt trotzdem noch finanzielle Spielräume. Die Frage ist: Reizen wir die aus. Oder eben nicht. Und Rot-Grün macht das nicht. Wir hätten in den letzten Jahren auch nach den Regeln der Sanierungsvereinbarung locker 150 Millionen pro Jahr mehr ausgeben dürfen. Das ist ja nicht nichts.

Der berühmte Sicherheitsabstand, klar – als sich der 2013 verringert hatte, gab’s sofort massiv Ärger…?

Christoph Spehr: Klar, regt sich da der Stabilitätsrat auf. Aber eine Landesregierung darf ihre Politik nicht an blauen Briefen vom Stabilitätsrat orientieren.

Also Bremen sollte die Ermahnungen einfach mal ignorieren?

Christoph Spehr: Das müsste man aushalten, ja. Stattdessen wird hier aber die wahnwitzige Theorie verfolgt, dass wir in der nächsten Runde mehr kriegen, wenn wir uns jetzt ganz artig benehmen. Das halten wir für eine Fehleinschätzung.

Kann man denn die anderen Bundesländer und die Bundesregierung nur schwerlich zum Verhandeln zwingen?

Doris Achelwilm: Derzeit findet man bestimmt Bündnispartner: Bremen ist mit seinen Problemen nicht ganz alleine.

Die Bremer Pro-Kopf-Verschuldung ist schon einzigartig.

Doris Achelwilm: Das ist wahr. Trotzdem.

Christoph Spehr: Der Gegenseite kann auch nicht alles wurscht sein. Keine Bundesregierung will ja, dass das erste Bundesland feststellt: Wir schaffen die Schuldenbremse nicht. Wir können das nicht einhalten. Dass Bremen sagt: Wir stecken das wieder mit dem Zwangssparen und klagen vorm Bundesverfassungsgericht, das will Berlin sicher verhindern.

Klingt wie in der WG ewig den Abwasch nicht machen, damit die eine Spülmaschine anschafft?

Christoph Spehr: Manchmal klappt das. Es gibt solche WGs.

Bloß dafür die Massen zu mobilisieren, dürfte schwer werden…?

Christoph Spehr: Ich finde, es regt sich einiges: Dass zum Beispiel Ver.di ein Volksbegehren gegen eine SPD-geführte Landesregierung in Gang bringt, um die Rekommunalisierung der Abfallwirtschaft durchzusetzen, das ist doch bemerkenswert. Aber andererseits ist wahr, dass es mit der Frage der Schuldenbremse kaum möglich sein wird, Massenproteste zu erzeugen. Dafür ist das Thema zu abstrakt.

Doris Achelwilm: Zu einer politischen Realität, die nicht leicht anschaulich zu machen ist, in ihrer Breitenwirkung, lässt sich in der Tat nur schwer mobilisieren. Gemessen daran haben aber schon ziemlich viele mitbekommen, was dieses Projekt an Umverteilung von unten nach oben bedeutet.

Aber wenn dieses große Thema nicht zur Debatte taugt, womit ziehen Sie in den Wahlkampf?

Christoph Spehr: Man macht doch ohnehin keinen Wahlkampf, um die Schuldenbremse zu vermitteln. Das wäre Quatsch. Man definiert doch inhaltliche Ziele – nicht die formalen Regelungen, um sie durchzusetzen.

Welche Ziele verfolgen Sie?

Doris Achelwilm: Wir setzen auf die Themen, die wir in den vergangenen Jahren bearbeitet haben. Wir fordern die Abschaffung der Jobcenter-Sanktionen, weil man da landespolitisch drauf Einfluss nehmen kann, wir sagen Arbeit nicht um jeden Preis, weil es nicht angehen kann dass die Arbeit immer mehr wird, ohne dass die Löhne entsprechend steigen. Wir setzen auf Rekommunalisierung. Und wir treten für eine Willkommenskultur den Flüchtlingen gegenüber ein.

Christoph Spehr: Allgemein führen wir Debatten über Dinge, die gemacht werden könnten, von denen viele sicher sind, dass sie gut fürs Gemeinwesen wären, die man sich aber aus dieser Ängstlichkeit heraus nicht traut anzupacken.

Was denn?

Christoph Spehr: Bremen betreibt diese Sanktionspolitik, weil man sich mit Jobcentern nicht anlegen will. Bremen vergesellschaftet den Wohnraum nicht, obwohl man’s leicht machen könnte: Das Geld ist billig wie nie. Aber man hat Angst, jetzt große Eigentumsaktionen zu machen, in der Schuldensituation. Also unsere Themenfindung – das war kein Problem. Wir waren eher gespannt, wie gehen die anderen damit um, weil die sich ja auf einer Flucht aus den Debatten befinden.

Weil das Ja zur Schuldenbremse ein Nein zur Politik bedeutet?

Chrisoph Spehr: Ja, das ist so. Und das lässt sich auch sehr gut an den Programmen ablesen, in den eigentlich strittigen Fragen: Statt klarzustellen, dass eine Schippe drauf bei der Bildung doch etwas mehr sein müsste, als dass es nicht weniger wird, vermeidet die SPD zum Beispiel solche Festlegungen. Das ist irritierend.

Doris Achelwilm: Stattdessen richtet man sich ein in der Sachzwanglogik – und sagt: „Ja, was sollen wir denn machen…? Wir könnten und täten ja gern – aber eigentlich müsste eben der Bund…“ – Das kann’s nicht sein.

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