Wahlkampf in Großbritannien: Hoffnungen in Hastings

Die Tories gewannen den Wahlkreis Hastings und Rye – doch deren Abgeordnete trat aus der Partei aus. Jetzt hofft Labour, übernehmen zu können.

Ein Fischer steht in gelber Arbeitshose auf einem Kutter und schaut in die Ferne

Fischer Danny Britt auf dem Kutter Kaya in Hastings Foto: Zylbersztajn

HASTINGS TAZ Drei Männer stehen auf der „Kaya“, einem kleinen Fischkutter, der gerade an Land liegt. Der 48-jährige Fischer Danny Britt und seine Crew ordnen das Netz und ziehen steckengebliebene Fische heraus, die sie den Möwen entgegenschmeißen. Hier in Hastings, einst Ort des normannischen Sieges über England im Jahr 1066, ist eine der Hauptanlegestellen im Südosten Englands für Kutter dieser Art.

Die meisten Fischer Großbritanniens sind für den Brexit – und auch die Stimme Britts wird deswegen an die konservativen Tories gehen. Boris Johnson garantiere den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union, erklärt er. „Dann müssen Boote anderer Länder zwölf Meilen statt nur sechs vom Land fern bleiben“, sagt Britt, der sich dadurch mehr Fisch für seine britischen KollegInnen erhofft.

Die Tories hatten im Wahlkreis Hastings und Rye zuletzt gesiegt. Doch die bisherige Parlamentsabgeordnete Amber Rudd, eine gemäßigte Konservative, war aufgrund von Meinungsverschiedenheiten zum Brexit im September aus der Partei ausgetreten und wird nicht mehr antreten. Rudd gewann 2017 mit nur 346 Stimmen Vorsprung unter den fast 80.000 Wahlberechtigten gegen den Labour-Kandidaten Peter Chowney. Nun hofft Chowney, beim zweiten Anlauf gegen Rudds Nachfolgerin Sally-Ann Hart zu siegen.

Infografik: infotext

Der Wahlkreis Hastings und Rye hat mit einigen Problemen zu kämpfen: Nur langsame Zugverbindungen und Straßen führen her – so siedeln sich hier kaum Firmen an, die Arbeitsplätze bieten könnten. Zwar ist die mittelalterliche ehemalige Hafenstadt Rye ein Tourismuszentrum und Wochenendabsteige für gut begüterte Londoner. Doch ein Drittel der Menschen in Hastings lebt an der Armutsgrenze, es handele sich um eine der am sozial am meisten benachteiligten Städte des Landes, erzählt Natalie Williams, die Leiterin der Lebensmitteltafel am Rande Hastings. „Wir verbuchen seit Monaten traurige Besucherrekorde“, sagt sie. Auch heute stehen in der Tafel Leute Schlange.

Manche seien trotz Arbeit arm, darunter Krankenschwester, Lehrhilfen, Bauarbeiter, erzählt Williams. Die Probleme hätten sich wegen der nicht gut organisierten Sozialhilfereformen der Tories verschlimmert, so Williams. „Wenn der Brexit nicht gut über die Bühne geht, kann die Armut stark ansteigen.“ Sie fordert Politiker*Innen, „die das Problem der Armut priorisieren und dafür Mitleid und ein Herz haben“, sowie Langzeitinvestitionen anstelle kurzfristiger Wahlversprechen. Ob damit die Labourpartei gemeint ist, verrät die Tafelmanagerin nicht.

Zu den Wahlen: Am 12. Dezember wählt das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland ein neues Parlament. Das Ergebnis wird über die Zukunft des Landes bestimmen: ob der Brexit vollzogen wird oder nicht, davon abhängig eventuell auch, ob der britische Gesamtstaat geeint bleibt oder nicht. Die taz begleitet den Wahlkampf mit einer lockeren Serie von Eindrücken aus unterschiedlichen Wahlkreisen und Milieus.

Anders als die 60-jährige Roz Balb, die ihren Job als Englischlehrerin für Flüchtlinge infolge der Kürzungen verloren hat. Den „elitären Lügenbold Johnson“ könnte sie niemals wählen, sagt sie, sondern nur Labour für ein gerechtes Land.

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