Wahlkampftaktik in Krisenzeiten: Verwirrspiel um Griechenland

Merkel widerspricht Schäuble: Plötzlich ist doch ein Schuldenschnitt möglich – aber erst nach der Wahl. Doch dann könnte es für Athen zu spät sein.

Dieses Weihnachten gibt's für die Griechen noch keinen Schuldenerlass, sagt Angela Merkel. Aber vielleicht 2015. Bild: dpa

BRÜSSEL taz | Noch vor einer Woche lehnte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) einen Schuldenschnitt für Athen vehement ab: Dies würde ein falsches Signal setzen und sei auch rechtswidrig. Nun hält Kanzlerin Angela Merkel überraschend dagegen: Ein Schuldenschnitt sei unter bestimmten Umständen doch denkbar – allerdings erst nach der Bundestagswahl.

„Wenn Griechenland eines Tages wieder mit seinen Einnahmen auskommt, ohne neue Schulden aufzunehmen, dann müssen wir die Lage anschauen und bewerten“, sagte Merkel der Bild am Sonntag. Dann sei auch ein Schuldenerlass möglich. Allerdings rechne sie damit nicht vor 2015. Denn das aktuelle Hilfsprogramm laufe bis 2014 – mit der Wahl in Deutschland 2013 habe das nichts zu tun.

Doch in Brüssel ist schon lange aufgefallen, dass die Bundesregierung alle unliebsamen Themen mit Rücksicht auf die Wahlen auf die lange Bank schiebt. Neben der Hilfe für Griechenland, die wegen deutscher Bedenken erst nach drei Krisensitzungen beschlossen wurde, gehört dazu auch die geplante neue Bankenaufsicht.

Schäuble in Erklärungsnot

Und in Berlin hat die Opposition noch bei der Abstimmung über die Griechenland-Hilfen am Freitag prophezeit, dass Merkel bald umfallen werde. „Es wird einen Schuldenschnitt geben“, sagte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin.

Dass es so schnell gehen würde, damit hat allerdings kaum jemand gerechnet. Vor allem für Schäuble ist die neue Ansage seiner Kanzlerin unangenehm. Wenn er heute zum Treffen der Eurogruppe nach Brüssel reist, dürfte er in Erklärungsnot geraten. Schließlich hatte IWF-Chefin Christine Lagarde mehrmals einen Schuldenschnitt angemahnt, doch der deutsche Finanzminister hatte ihn jedes Mal verweigert. Nun muss er erklären, wie es zu dem plötzlichen Sinneswandel kam.

Schäuble hatte Griechenland erst vor einem Jahr den ersten Schuldenschnitt verordnet. Damals mussten die Banken bluten und auf Forderungen in Höhe von rund 100 Milliarden Euro verzichten. Doch die Umschuldung ist ohne erkennbare Wirkung verpufft, die Schuldenquote in Athen schnellt weiter nach oben. Wieso dies so ist, dafür blieb Schäuble bisher jede Erklärung schuldig.

Tricks für die Entschuldung

Um sich einen zweiten Schuldenschnitt zu ersparen, der diesmal die Steuerzahler treffen würde, versuchen es die Gläubiger nun mit einem neuen Trick: Athen soll eigene Anleihen zum Billigtarif zurückkaufen und so die Schuldenquote senken. Rund 40 Milliarden Euro sollen auf diese Weise zusammenkommen. Für einen Erfolg müssten sich genügend Anleger von griechischen Schuldscheinen trennen.

Allerdings haben viele Experten Zweifel, dass dies funktioniert. Denn Hedgefonds und andere Spekulanten könnten sich weigern, ihre Anleihen zum Vorzugspreis zu verkaufen. Im schlimmsten Fall wäre dann sogar die Auszahlung der nächsten 44 Milliarden Euro schweren Hilfskredite an Athen gefährdet – denn die hängt von einem Erfolg des Rückkaufprogramms ab. Dann wäre Griechenland noch in diesem Jahr pleite.

Probleme zeichnen sich auch anderswo ab. Portugal fordert ähnlich günstige Bedingungen bei der Rückzahlung seiner Kredite, wie Griechenland sie bekommt. Zypern soll 17,5 Milliarden Euro aus dem Rettungsschirm erhalten, sträubt sich aber gegen die damit verbundenen Auflagen. Und Spaniens Regierung räumte am Wochenende ein, dass sie große Mühe haben wird, die Sparvorgaben für 2013 zu erfüllen.

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