Wahlsieger Westerwelle: Strahlender Neoliberaler

FDP Guido Westerwelle kann auf das Amt des Außenministers hoffen. Doch der Innenpolitik wird er auch im Prestige-Job nicht entfliehen können.

Hat es geschafft: Westerwelle. Bild: reuters

BERLIN taz | Der Sieger ließ sich Zeit. Länger als alle anderen Spitzenkandidaten wartete Guido Westerwelle, bis er vor seine Anhänger trat. Als er dann um 19.15 Uhr in dem prunkvollen Saal vor schätzungsweise 2.000 Anhängern und Journalisten stand, brauchte er sich nur noch zu wiederholen: Ein "gerechtes Steuersystem" wolle die FDP schaffen, "mehr Bildungschancen" und Bürgerrechte. Kinder wedelten mit Spruchbändern, auf denen die eigentliche Botschaft dieses Abends stand: "Westerwelle". Er ist der Sieger, und er wird wohl Außenminister.

Bundesaußenminister Westerwelle? Nach elf Jahren in der Opposition, in denen er so ziemlich allen so ziemlich alles versprochen hat, erscheint die Wandlung vom Dünnbrettbohrer zum Diplomaten schier unmöglich. Doch der FDP-Chef hat sich auf den Job seines Lebens seit langem vorbereitet.

Westerwelle hat keinen Zweifel daran gelassen, diese vor allem durch Hans-Dietrich Genscher geprägte Tradition fortzuführen. So hartnäckig, wie Westerwelle stets am eigenen Fortkommen gearbeitet hat, hat er auch an seinem nächsten Karriereschritt gefeilt.

Stimmen:

CDU/CSU 33,8% (-1,4)

SPD 23,0% (-11,2)

FDP 14,6% (+4,8)

Linke 11,9% (+3,2)

Grün 10,7% (+2,6)

Piraten 2,0% (-)

NPD 1,5% (-0,1)

Sitze (622):

Union 239, FDP 93 – zusammen 332

SPD 146, Linke 76, Grüne 68 – zusammen 290

Das ersehnte Amt

Das ersehnte Amt des Außenministers birgt für Westerwelle viele Vorteile. So hat noch jeder Außenamtschef einen Amtsbonus erhalten. Das gilt selbst für so schwache Minister wie Klaus Kinkel, Hans-Dietrich Genschers gern verschwiegener Nachfolger - und FDP-Mann.

Vor den großen Herausforderungen einer schwarz-gelben Koalition wird sich Westerwelle jedoch trotz aller Weltreisen nicht drücken können. Dafür hat sich der FDP-Vorsitzende seit seinem Amtsantritt vor acht Jahren zu sehr in den Vordergrund gedrängt: Vorbei an ihm, dem unumstrittenen Parteichef, wird es keine Koalitionsentscheidungen geben können. Und damit scheint zweifelhaft, ob Westerwelles erhoffter Rollenwechsel so einfach klappen wird.

Denn immer wieder werden die massiven Folgen der Wirtschaftskrise die künftige Bundesregierung einholen: Wem wird Schwarz-Gelb etwas nehmen, um die absehbaren Steuerausfälle und explodierenden Schuldzinsen auszugleichen? Wo will Schwarz-Gelb kürzen, um die vor allem von der FDP versprochenen Steuersenkungen teilweise gegenzufinanzieren? Werden die Freidemokraten allen Ernstes dafür kämpfen, die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung zu kippen, um Versicherungskonzernen einen größeren Markt für Zusatzversicherungen zu eröffnen? Und will die FDP tatsächlich den schon stark gestutzten Kündigungsschutz weiter lockern, obwohl selbst die Bundeskanzlerin erklärt hat, die Wirtschaft fordere dies nicht?

Als Oppositionsmann konnte Westerwelle stets verneinen und alles versprechen. Nach diesem entscheidenden Wahlsieg muss Westerwelle sich seine Schlachten mit der Union genau aussuchen.

Aber am Sonntagabend wurde erst einmal gefeiert. Etwa die Hälfte mehr Stimmenanteile als vor vier Jahren, das euphorisiert. Die stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Cornelia Pieper zeigte sich sehr zufrieden mit dem guten Abschneiden ihrer Partei bei der Bundestagswahl. "Das macht mich überglücklich. Aber vor allem ist es schön für Deutschland, denn es geht um einen Politikwechsel für Deutschland, und das wollten wir", sagte Sachsen-Anhalts FDP-Chefin.

Und die ersten Forderungen sind auch schon da. Der stellvertretende FDP-Chef Rainer Brüderle erklärte: "Wir haben den höchsten Zuwachs aller Parteien. Damit ist ein hohes Maß von Verantwortung verbunden." Das "Fingerhakeln" aus der Union im Wahlkampf dürfe keine Rolle mehr spielen. Gut möglich aber auch, dass es jetzt erst recht beginnt.

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