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Walter-Lübcke-Denkmal in BerlinEin ungewollter Schutzpatron für die CDU

Lilly Schröder

Kommentar von

Lilly Schröder

Das Zentrum für Politische Schönheit stellt ein Walter-Lübcke-Denkmal vor die CDU-Zentrale. Deren Empörung offenbart fehlende Abgrenzung von Rechten.

Walter Lübcke wurde 2019 in Kassel ermordet – jetzt hat er ein Denkmal in Berlin Foto: Florian Boillot

G ewöhnlich sind es die Links-grün-Versifften, die als die „Dauerempörten“ gelten. Seit vergangenem Dienstagmorgen sind es auch die Konservativen: „Geschmacklos“ und „schäbig“ nannte der Generalsekretär der CDU-Hessen, Leopold Born, die Aktion. „Unanständig und würdelos“ fand sie der osthessische CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Brand. Berlins Regierender Bürgermeister, Kai Wegner, bewertete das Vorgehen als „widerlich“ und „in Geschmacklosigkeit kaum zu überbieten“.

Was sorgte für die CDU-Empörungswelle? Verantwortlich waren die Ak­ti­ons­künst­le­r*in­nen des Zentrums für Politische Schönheit (ZPS). Sie hatten am Dienstagmorgen klammheimlich den „Walter-Lübcke-Memorial Park“ vor dem Konrad-Adenauer-Haus in Berlin, der Bundeszentrale der CDU, errichtet. Eine Bronzefigur des ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten, eine Stele und Bank mit „Walter-Lübcke-Platz“-Gravur sowie ein Info-Terminal mit Audiobeiträgen zu seinem Leben, seiner Partei (CDU) und seinem Tod. Das Bezirksamt Berlin-Mitte habe das Denkmal für zwei Jahre genehmigt, bestätigte ein Pressesprecher dem rbb.

„Walter Lübcke steht für Haltung“, erklärten die Aktivist*innen. „Er widersprach den extremistischen Ansichten der AfD öffentlich und grenzte sich von jeder Menschenfeindlichkeit ab. Dafür wurde er hingerichtet.“ Lübcke war 2019 von einem AfD-Anhänger ermordet worden. Im Gerichtsprozess schilderte der Täter, wie die AfD ihn 2018 in Chemnitz zur Tat angestachelt habe. Der Attentäter hatte für die AfD Wahlplakate aufgehängt, Flyer verteilt, an Veranstaltungen teilgenommen und Geld gespendet.

Schulterschluss mit Faschisten

Der „Memorial Park“ soll erinnern und mahnen: vor dem Vergessen und vor der Annäherung der CDU an Rechtsextreme. Historisch wie aktuell würden Demokratien durch den Schulterschluss zwischen Konservativen und Faschisten „verraten“. Sechs Jahre nach dem Mord an Lübcke sei die Brandmauer vielerorts schon eingerissen, so das ZPS. „Walter Lübcke passt jetzt auf die CDU auf, damit die Konservativen nie wieder die Demokratie verraten.“

Pas­san­t*in­nen begrüßen das: Sie sind berührt, legen Blumen und Kerzen nieder und feiern die Aktion als „großartig“. Die CDU sieht das anders: „Das Andenken an einen Menschen auf solch respektlose Weise politisch zu missbrauchen, erschüttert uns zutiefst“, echauffierte sich Leopold Born. Kai Wegner warf dem ZPS bewusste Eskalation und gesellschaftliche Spaltung vor. Eine CDU-Sprecherin bezeichnete die Aktion als „unaufrichtige Instrumentalisierung“.

Von Instrumentalisierung kann hier jedoch keine Rede sein. Diese würde voraussetzen, dass Lübckes Schicksal aus dem Kontext gerissen, verfälscht dargestellt oder ihm etwas unterstellt würde. Das ist nicht der Fall. Lübcke war für seine menschenfreundliche Politik und seinen klaren Widerspruch gegenüber extremistischen AfD-Positionen bekannt. Während Parteikollege Born behauptet, Lübcke hätte sich „vehement gegen eine solche falsche Vereinnahmung gewehrt“, maßt sich das ZPS nicht an, im Namen Lübckes zu sprechen.

Die CDU wäre gut beraten, den Mut ihres ehemaligen Parteikollegen zu würdigen, die Aktion als Anlass zur Selbstreflexion zu nutzen und sich klar an seine demokratische Haltung anzulehnen. Doch anstatt den demokratischen Schulterschluss zu vollziehen und sich mit den Ak­ti­vis­t*in­nen zu einen, diffamieren sie die Aktion als „linke Provokation“.

Der CDU einen Spiegel vorhalten

Abgesehen davon, dass es nicht „links“ ist, eines von einem Rechtsextremisten ermordeten Politikers zu gedenken, sollten in Zeiten erstarkenden Rechtsextremismus nicht Anti-AfD-Initiativen zum Gegner der Christ­de­mo­kra­t*in­nen werden.

Die friedliche Protestaktion provoziert nur, weil sie der CDU einen Spiegel vorhält und sie in eine Zwickmühle bringt: Die Statue zu entfernen, würde Gesichtsverlust bedeuten; sie stehenzulassen, konfrontiert die Partei dauerhaft mit ihrem Versagen im Umgang mit der AfD. Empörend ist nicht eine Statue, die für die Aufrichtigkeit eines CDU-Politikers gegen Rechtsextremismus steht. Empörend ist eine demokratische Partei, die das empörend findet. Es ist nicht die Aktion, die „an Geschmacklosigkeit nicht zu überbieten“ ist. Es sind Reaktionen der CDU.

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Lilly Schröder
Redakteurin für Feminismus & Gesellschaft im Berlin-Ressort Schreibt über intersektionalen Feminismus, Popkultur und gesellschaftliche Themen in Berlin. Studium der Soziologie und Politik.
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22 Kommentare

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  • Nach der Ermordung Walter Lübckes dauerte es 17 Tage bis sich Friedrich Merz dazu äußerte und das auch nur, weil er in einer Talkshow (Maischberger) dazu befragt wurde. Eine klare Verurteilung war auch das m.E. nicht.

    In den 17 Tagen hat Merz' sozial media team diverse Posts abgesetzt, zu Lübcke keinen.

    Wie Merz auf Lübcke im Januar Bezug nahm ist ja bereits in den Kommentaren erläutert worden und wie sehr es Lübckes Familie befremdet hat.

    Aber auch bzgl. Gießen sprach Merz von Demonstrationen von ganz rechts und ganz links.

    Er kapiert es einfach nicht.

  • Natürlich könnte die CDU souveräner damit umgehen, keine Frage. Aber man sollte jetzt auch nicht so tun, als sei es weder Instrumentalisierung noch Vereinnahmung, und erst recht keine Provokation. Natürlich schwingen alle drei Komponenten deutlich mit. So ehrlich sollte man schon sein.

    Worüber ich bisher noch keine Informationen finden konnte: War die Aktion mit Walter Lübckes Familie abgesprochen? Ohne deren Einverständnis würde es auch mir schwer fallen, die Aktion positiv zu bewerten.

  • Leider ist die CDU der einzige Akteur der im Kampf gegen Rechts wirklich was erreichen könnte. Die CDU zu offen dazu zu zwingen unsere Sichtweisen zu übernehmen ist dafür allerdings absolut kontraproduktiv. Stattdessen sollten wir uns zurückhalten wenn die versuchen die gleichen Wähler anzusprechen wie die Blauen.

  • Unabhängig davon, dass es mich nicht mehr wundert, dass die Union Eintreten für die Demokratie im Einklang mit den Springer-Influencern als "links" oder gar "linksextrem" diffamiert, würde mich interessieren, was die Angehörigen zum Denkmal sagen.

  • Die Reaktionen einiger CDU-Mitglieder ( die Sprecherin eingeschlossen ) - lassen einen staunen und erschaudern. Das sind ausgesprochene Gedankengänge Richtung Abgrund. So dumm kann man gar nicht sein, mag man denken. Ist man aber doch, wenn man sich den Sprachgebrauch anschaut - in Teilen widerlich.

  • Die spinnen die Unioner. Ein Vorzeigeantifaschist in den eigenen Reihen und sie vertuschen dessen Verdienste auch noch posthum.

    • @TV:

      Das Problem ist nicht das Gedenken an einen Vorzeigefaschisten sondern die direkte parteienpolitische Komponente. Insoweit werden hier missbräuchlich zwei Themen verbunden, was berechtigt kritikwürdig ist.

      Niemand regte sich bisher über die diversen Schul- und Straßenbenennungen nach Lübcke auf.

  • Man sieht an den Reaktionen, wie weit sich die CDU bereits von Zivilcourage und Demokratie entfernt und wie nah sie sich der AfD angenähert hat. Sie verrät ihr standhaftes Mitglied Lübcke und ihr einst christliches Gewissen.

  • Danke für diesen guten Kommentar.

  • Das schlechte gewissen macht diese Herrschaften zu Wadenbeissern.



    Sie werden unangenehmst daran erinnert, wie wankelmütig und rückratlos sie im Vergleich zu Lübke aussehen.



    Die Aktion ist also ein voller Erfolg🥳

  • Ja, genau - ich habe da ähnlich Erfahrungen gemacht - am 9.Nov habe ich einen Vortrag bei der Gedenkveranstaltung gehalten - dabei ging es darum, wie nah die "bürgerliche Mitte" durch den zunehmenden Pupulismus an die Kante kommt zum Unterstützer des Faschismus zu werden - die JU hat sich dann öffentlich beschwert, dass sie sich gegen die Beschimpfung der bürgerlichen Mitte wendet - ich habe mich dabei (obwohl eher etwas links der bürgerlichen Mitte estehend) auch als Bürgerliche Mitte bezeichnet und Beispiele aus meiner Familiengeschichte vorgetragen.....

  • Und es erinnert auch an die umstrittenen Äußerungen von Friedrich Merz über Walter Lübcke, die von Lübckes Witwe entschieden zurückgewiesen wurden. Wo bleibt die CDU, wenn es darum geht, einen ihrer eigenen Politiker zu ehren, der für Rechtsstaatlichkeit und christliche Nächstenliebe einstand? Stattdessen blockiert die Union die Prüfung eines möglichen Parteiverbots – obwohl nach Auffassung vieler Kritiker der mutmaßliche Täter durch das Klima und die Rhetorik der AfD ermutigt worden sei.

  • Gute Aktion!



    in den Kaminzimmern sind die 'Brandmauern' der c-Perteien ja längst gefallen.



    Die auch öffentlich vor den Kameras der Weltpresse wieder und wieder zelebrierte schwesterliche Verbundenheit von Meloni und Rechtsruck-v.d.Leyen hat da zuverlässige prognostische Relevanz.



    Wer heute immer noch auf die c-Parteien beim Kampf gegen die wiedererstarkende rechte Barbarei setzt, droht immer stärker in die Falle von 'Den Bock zum Gärtner machen' zu laufen.



    Möge diese Einschätzung sich als falsch erweisen!

  • Das Denkmal enthält keinerlei gestalterische oder inhaltliche Provokation. Die Empörung muss also im Auge des Betrachters liegen und sagt nichts über die Plastik wohl aber vieles über die Empörten aus.

  • Achtung, im Christstollen ist Nazipan.

  • ZPS mal wieder ganz groß, danke dafür.

  • Wie kann man sich von einem Mahnmal angegriffen fühlen, das an die Gefahren des Rechtsextremismus erinnert? Welcher aufrechte Demokrat in der Union kann dieses Projekt sehen und nicht sagen: "Richtig so!"? Die Statue greift weder konservative Positionen an, noch glorifiziert sie jemanden, mit dem die Union inhaltliche Differenzen haben könnte, ganz im Gegenteil. Sie warnt davor, nie wieder Nazis an die Macht zu lassen. Mehr nicht. Wo ist das provokant oder geschmacklos? Ist so eine Position in der Union schon so unhaltbar, dass selbst (vermeintlich) moderate Politiker wie Kai Wagner meinen, sich öffentlich dagegen aussprechen zu müssen? Was kommt als nächstes? Sind die Erinnerung an die Shoah oder der Betrieb der Gedenkstätte Auschwitz - die Verkörperung des "Nie Wieder!", das auch dieses Projekt betont - bald auch respektlos? Bei aller gebührenden Höflichkeit: Das sind verfickte Stiefellecker und Steigbügelhalter, quer durch die Bank.

  • ...Empörend ist nicht eine Statue, die für die Aufrichtigkeit eines CDU-Politikers gegen Rechtsextremismus steht. Empörend ist eine demokratische Partei, die das empörend findet...



    Guter Beitrag!



    Anschließe mich!

  • Volltreffer.!!







    :-))

  • Wer sich bei AgD ranwanzt, kann sich die Statue schon mal ansehen.

  • Ich sehe überhaupt keinen Zusammenhang an der durchaus berechtigten Kritik und eine angeblich fehlenden Abgrenzung.

    Ich bin sehr gespannt auf den Ablauf der zwei Jahre. Vor dem Hintergrund der Korea-Statue ist der Umgang mit privater Kunst im öffentlichen Raum ja bekannt und allgegenwärtig. Das Bezirksamt muss dann also räumen lassen.

  • Dass sich der hessische CDU-Generalsekretär, irgendein osthessischer MdB und sogar Herr Wegner über etwas aufregen, was ihre eigene Aufgabe gewesen wäre, ist wirklich infam! Was bilden sich diese Leute ein? Welche Haltung offenbaren sie? Wodurch fühlen sie sich getroffen?

    Ich finde die Statue äußerst gelungen und würde sie auch in den eigenen Garten stellen, wenn sich sonst kein würdigerer Ort fände. Walter Lübcke bleibt ein großes Vorbild!