Wanderritt durch die tunesische Sahara: Nur Himmel, Sand und Stein

Sich im Sattel von Pferden durch die Wüste schaukeln zu lassen ist Meditation. Und mit unpassender Kleidung durchaus aufreibend.

Einsamer Reiter in der Wüste Bild: Robert Parzychowski/sxc

Der erste Morgen in der Sahara beginnt mit einem ebenso schönen wie nützlichen Geschenk. Jutta und Bettina, unsere „Rittführerinnen“ haben für jeden ein langes Tuch mitgebracht. „Schecha“ nennen sie es, und bald hat jeder der Gruppe einen fein gewickelten Turban um den Kopf - in Wüstengelb, Skorpionschwarz, Blütenweiß oder Tuaregblau. Gut geschützt, fast wie Beduinen, werden wir nun die Sahara bereiten. Beim allmorgendlichen Wickeln helfen uns fünf Reitersmännern unsere beiden Reitkolleginnen Hanne und Sylvia. Insgesamt also sieben Kunden, zwei lokale Führer, die Rittführerinnen sowie ein Trossfahrzeug mit Fahrer, Koch und Helfer. „Sand und Sterne, Wind und Wüste …“ heißt das Programm, mit dem uns Jutta Scheuthle von Ross & Rhön eine Woche auf Pferden und Kamelen durch die Sahara führen wird: „Die Faszination der Einfachheit“.

Von 11 bis 3 Uhr morgens sind wir mit einem Kleinbus von Djerba nach Douz, dem „Tor zur Wüste“, in Südtunesien gefahren. Dann noch 30 Kilometer hinein in die Sahara. Im Dunkeln haben wir unser erstes Lager aufgeschlagen - die Abenteuerlustigeren im Freien, die andern im Zelt. Der gerade aufgehende Halbmond hat uns geholfen. Denn die vom Tross gestellten Schlafsäcke und -unterlagen mussten erst noch bequem im Sand positioniert werden: Mit guter Sicht auf die Sterne und die aufgehende Sonne.

Nun sitzen wir noch etwas zerknautscht im Schneidersitz oder liegen auf der Seite und nehmen unser erstes Frühstück ein. Die Nacht haben alle gut überstanden. Bei der anschließenden Pferdeverteilung fällt mir Shakira zu, eine schöne, heißblütige, weiße Stute: „Araberber“ bedeutet mir Bettina, die seit 30 Jahren in Tunesien lebt und der alle Pferde gehören. Sechs Tage lang darf ich Shakira jeden Morgen und Mittag ausführlich striegeln. Danach wird das Zaumzeug angelegt und gesattelt. Wie ein Fetischist bin ich vor der Reise durch die Kaufhäuser gezogen, habe in jeder Unterhose Stärke und Platz der Nähte getestet. Und dann doch nur gewöhnliche Baumwollhöschen sowie eine leichte Jeans gekauft. Die schwarze Pumphose vom Basar in Houmt Souk, Djerba, soll Kollege Thomas ausprobieren, der fröhliche schwäbische Schauspieler. Er reitet seine „Klimahose“ in dieser Woche zu Schanden, entdeckt jeden Tag neue Löcher und bleibt mehrmals mit dem pludrigen Gesäßteil gefährlich am Sattel hängen. Doch er sieht aus wie Omar Sharif. Ein echter Wüstensohn eben.

Meiner Shakira Trense, „Martingal“ sowie die verschiedenen Riemen und Schnallen allein anzulegen, überfordert mich. Den Sattel und die von Bettina selbst genähten Satteltaschen aber bugsiere ich ohne Hilfe auf den Pferderücken. Triumph: Auch nach sechs Tagen habe ich keine aufgeriebenen Stellen. Thomas Sharif hingegen borgt sich am dritten Tag dankbar mein Töpfchen Melkfett. Äußerst hilfreich sind die spanischen „Chaps“, edle Ledergamaschen bis zum Knie, die meine Waden schützen. Sylvia leiht sie mir zwei Tage.

Geritten wird meistens hintereinander - selbst bei den drei, vier „Galoppaden“, die die reiterischen Höhepunkte jedes Tages sind. Unglaublich, wie freudig die Tiere auch in der Hitze losstürmen. Shakira ist dabei kaum zu bremsen und rückt auch im Schritt gerne dicht an die Pferdehintern vor sich heran. Das geruhsam schunkelnde Hintereinander bringt etwas Meditatives in unsere kleine Gruppe. Manchmal wird über eine Stunde lang nicht geredet: Gemächlich wippendes Becken, zufrieden nickende Pferde, ab und zu ein Schnauben. Sonst nur Sanddünen, Steine und Büsche. Darüber ein weiter, blauer Himmel.

Die Wüste bietet Abwechslung, doch nach einer Woche hat man trotzdem das Gefühl sie zu kennen. Auch 100 Kilometer weiter sieht es nicht wirklich anders aus. Der Reiz liegt im grandiosen Gesamtpanorama - und in den Details: kleine Anhöhen mit Ginsterbüschen und getrocknetem Holz, aus dem wir jeden Abend ein Lagerfeuer machen. Immer wieder neue Kräuselungen der Dünen, über die der Wind wie ein Bildhauer streicht. Wüstenhasen und -mäuse, die ab und zu von unserer Kleinkarawane wegstieben. Wunderbare Sonnenuntergänge und noch aufregendere -aufgänge: Wenn die bitterkalte, klammfeuchte Wüstennacht in einem bunten Farbenspiel der ersehnten Wärme weicht, die im Nu die Decken und Schlafsäcke wieder trocknet.

Immer schön aufpassen beim Ausritt! Bild: Marion Tran Van Huu/sxc

Ein Erlebnis ist auch das andere Tempo der Menschen. In sechs Tagen schafft es unser tunesisches Trossfahrzeug nur einmal, pünktlich zum vereinbarten Treffpunkt zu kommen. So knallt Juttas schwäbische Korrektheit wiederholt mit der arabischen Inschallah-Philosophie lehrreich zusammen. Allah will eben manchmal anders.

Vielleicht, dass wir einen anderen Zeitbegriff kennenlernen? Merken, wie bleischwer nach fünf Stunden Reiten die Beine sind? Oder lernen, immer genügend Wasser und einen Pullover in den Satteltaschen zu haben? Doch Allah ist auch gnädig: Irgendwie klappen die Treffen am Ende doch jedes Mal. Das Lager wird errichtet, wir bekommen einfaches Essen: „salade tunisienne“, Reis oder Nudeln mit roter Soße, Datteln und das köstliche, in der Asche gebackene Brot mit der scharfen „Harissa“-Paste. Mehr braucht man auch nicht. Ach doch: den Tee mit den drei Aufgüssen „bitter wie das Leben, süß wie die Liebe, sanft wie der Tod“. Und den guten tunesischen Rotwein. „Prost“ klingt im Arabischen übrigens wie „Allahsachtnix“.

Einen Tag lang haben die Pferde Pause, und wir ziehen mit Kamelen in die hohen Sanddünen, wo die plattfüßigen Dromedare natürliche Vorteile haben. Der Ritt auf Kamelen ist noch meditativer als auf Pferden: Einmal, weil der Passgang der Tiere zu einem intensiven, fast einlullenden Schunkeln führt. Dann wegen der fast irrealen Riesendünen und schließlich wegen der Kameltreiber. Die Ruhe, mit der sie in ihren Pantoffeln die Kamele durch den Sand führen, gemächlich das Mahl zubereiten und servieren und uns dann in der Abendsonne wieder aus den Dünen lotsen, eröffnet uns eine Welt von nahezu kosmischer Einfachheit. Was braucht man wirklich?

Kamele jedenfalls scheinen es zu wissen. Vielleicht schauen sie deshalb so arrogant auf uns wuselnde Menschlein. Ihr Brunftschrei klingt dabei interessanterweise wie eine laut gurgelnde Toilettenspülung - eine akustische Fata morgana, geeignet steten Überfluss an Wasser vorzutäuschen.

Zurück in der Oasenstadt Douz. Sechs Tage ohne große Wäsche - doch wir stinken nicht. Sechs Tage im Sattel und ohne Stühle - doch wir können noch laufen. Der Besuch im Hamam, dem Dampfbad, ist der ideale Abschluss. Von einem Profi porentief sauber gebürstelt und erfrischend durchgewalkt, verlassen wir die Wüste: Wie neugeboren und mit einem schönen blauen Turban.

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