Warnstreik in Berlin: Erzieher wollen Politiker erziehen

17.000 Angestellte im öffentlichen Dienst gehen für mehr Lohn auf die Straße. Kitas, Schulen und Bürgerämter bleiben zu. Gewerkschaften sprechen von einem Erfolg.

Streikplakate am Mittwoch an einer Berliner Schule. Bild: dpa

In den Fluren der Aziz-Nesin-Grundschule in Kreuzberg herrscht an diesem Mittwochmorgen Stille. Kein Kind ist zu sehen, die Klassenzimmer sind verwaist. Es ist 7.30 Uhr. Ein rotes Schild hängt vorm Eingang und verkündet „Warnstreik“.

Vor der Schule steht eine Gruppe LehrerInnen und ErzieherInnen. Eine von ihnen ist Rebekka Hillmann. Die 25-Jährige trägt eine rote Warnweste der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Ihre blonden Locken hat sie sich in einen Pferdeschwanz gebunden. „Ich streike nicht für mich persönlich“, schildert die Grundschulerzieherin, „sondern weil es die Arbeit, die ich mache, verdient, wertgeschätzt zu werden.“

Es kommt doch eine Mutter mit ihren zwei Kindern. Die bleiben in der Notbetreuung, die von den fünf beamteten Lehrern der Schule – die nicht streiken dürfen – geleitet wird. Die Mutter wünscht den Streikenden „Viel Spaß!“ Eine von Rebekkas Kolleginnen entgegnet: „Spaß?! Geh ich zu ‘ner Hochzeit oder was?“

Gegen 8 Uhr brechen sie gemeinsam zur Friedrichstraße auf, wo sie von einer fröhlichen Menge in roten und gelben Warnwesten empfangen werden. Unter ihnen sind nicht nur ErzieherInnen und LehrerInnen, sondern auch PolizistInnen und sämtliche anderen Angestellten des öffentlichen Dienstes, die in der Gewerkschaft der Polizei, der GEW, der Industriegewerkschaft für Bauen und Umwelt und der Gewerkschaft Verdi organisiert sind. Nach Angaben der Gewerkschaft Verdi beteiligten sich diesmal etwa 17.000 BerlinerInnen. Sie fordern 5,5 Prozent mehr Lohn, mindestens aber 175 Euro mehr, sagt Susanne Stumpenhusen, Landesbezirksleiterin von Verdi Berlin-Brandenburg.

17.000 Streikende verschiedener Gewerkschaft gingen am Mittwoch auf die Straße. Auf ihrem Zug von der Friedrichstraße bis zum Alexanderplatz legten sie für kurze Zeit Teile des öffentlichen Nahverkehrs lahm. Viele Schulen und Kitas, aber auch Ämter, blieben geschlossen.

Die Streikenden fordern für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes 5,5 Prozent mehr Lohn, wenigstens aber 175 Euro monatlich. Außerdem gibt es Konflikte um Veränderungen der betrieblichen Altersvorsorge.

Die nächste Runde der Tarifverhandlungen beginnt am 16. März in Potsdam.

Eric Lausch ist Beamter und arbeitet in einem Finanzamt in Berlin. Er hat sich extra frei genommen, um sich mit seinen Kollegen zu solidarisieren. „Der öffentliche Dienst steht in Konkurrenz zur freien Wirtschaft“, erklärt er, „wir müssen ihn für die jungen Arbeitnehmer weiterhin attraktiv halten.“

Als die Trommler der Gruppe Terra Brasilis um 9 Uhr beginnen, kämpferische Rhytmen zu schlagen, setzt sich der Demozug mehr tanzend als laufend in Bewegung. Unter der Brücke am Reichstagsufer schallt der Bass, begleitet von den Trillerpfeifen der Demonstranten. „Gemeinsam für gute Arbeit und gutes Geld – wir sind es wert“ steht auf dem Banner, das den Zug anführt. Rebekka läuft direkt dahinter ein, inzwischen hält sie eine GEW-Fahne in der Hand. Ein Plakat fällt ihr ins Auge: „2,4 Milliarden für Bildung und nicht für Olympia“, steht darauf. „Das sehe ich auch so“, sagt Rebekka und geht, Schritt für Schritt, bis zum Alexanderplatz. Unterwegs werden bunte mit Helium gefüllte Ballons unter den Demontranten verteilt, einer fliegt schon am Himmel. Eine ältere Dame guckt aus ihrer Wohnung auf der anderen Seite der Spree mit einem Fernglas auf die Menge, die nicht abreißen will. Aus dem DGB-Gebäude am Hackeschen Markt hängen rote Fahnen heraus, die Menge strapaziert die Trillerpfeifen bis aufs Äußerste vor Begeisterung über die bekundete Solidarität.

Am Alex versorgen sich Rebekka und ihre Kolleginnen erst einmal mit Tee und Bonbons von einem Stand der GEW. Sie tragen sich in die Streiklisten ein, stehen noch ein bisschen in der Gegend herum und unterhalten sich: Immer wieder hört man „Gleiches Geld für gleiche Arbeit“ und „Hände weg von unserer Betriebsrente!“ Gegen halb zwölf löst sich diese Gruppe auf. Rebekka wird noch ins Fitnessstudio gehen, und morgen ist dann alles so wie immer.

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