Warteschleife beim Notruf: Kummer mit der Nummer

Wer die 110 wählt, erwartet sofortige Hilfe. Aber in Berlin dauert es oft ganz schön lange, bis sich jemand von der Polizei meldet.

Diese Beamten können keine Notrufe annehmen, da sie gerade in einem wichtigen Einsatz zur Verbrechensbekämpfung sind. Bild: dpa

Ein Albtraumszenario: Sie sind nachts zu Fuß in der Stadt unterwegs und jemand verfolgt sie. Was tun? Rennen ist eine ganz schlechte Idee. Sie zücken Ihr Telefon, wählen die 110 und … landen für eine gefühlte Ewigkeit in der Warteschleife. Panik.

So schlimm muss es nicht kommen – könnte aber. Wegen „technischer, ablauforganisatorischer und personeller“ Probleme lässt die Einsatzleitzentrale der Berliner Polizei jeden vierten Anrufer länger als 10 Sekunden schmoren, jeden zehnten sogar mindestens 30 Sekunden lang. So steht es in der Antwort der Senatsverwaltung für Inneres auf eine schriftliche Anfrage der Grünen.

Eigentlich gilt für die Einsatzleitzentrale eine Zielvereinbarung, wonach 90 Prozent aller Notrufe innerhalb der ersten 10 Sekunden entgegengenommen werden sollen. Davon kann derzeit aber nicht die Rede sein: Von 336.804 Notrufen, die im 2. Quartal 2014 entgegengenommen wurden, kamen nur 254.375 so schnell durch – also 75,53 Prozent. In den Jahren 2011–2014, für die die Innenverwaltung jetzt Zahlen vorgelegt hat, wurden die 90 Prozent nie erreicht, die Angaben pendeln zwischen 70 und 88 Prozent. Und der Anteil der Wartezeiten von 30 Sekunden oder länger schwankte zwischen 2,4 und 12,3 Prozent.

„Verlorene Anrufe“

Dann gibt es noch die sogenannten verlorenen Anrufe, bei denen der Anrufer aufgegeben hat. Im 2. Quartal 2014 waren das 7,3 Prozent aller eingehenden Anrufe. Ein Aspekt, über den man sich in der Innenverwaltung nicht den Kopf zerbricht: „Es wird davon ausgegangen, dass letztlich alle Notrufe, welche aufgrund einer objektiven Gefahrenlage erfolgen, die Polizei erreichen“, heißt es.

Kritik an dieser Bilanz übt der innenpolitische Sprecher der Grünen im Abgeordnetenhaus, Benedikt Lux, der die Anfrage gestellt hatte: „Die Berlinerinnen und Berliner haben ein Recht auf schnelle Hilfe“, sagte er am Mittwoch der taz. Daran, dass die gesteckten Ziele nicht erreicht werden, ist für Lux eine falsche Prioritätensetzung schuld: „Hier wird eindeutig an der falschen Stelle gespart.“ Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hält die Sache für einen „Skandal“. „Es kann und darf nicht sein, dass Menschen in Notsituationen im Zweifel aus der Leitung fallen oder aus Frust auflegen“, so die Sprecherin des Landesbezirks Berlin, Silvia Brinkhus.

Bei der Senatsinnenverwaltung sieht man das Ganze entspannter: Auf Nachfrage legt man hier den Akzent auf die Quartale mit deutlich besseren Ergebnissen. So seien im 1. Quartal dieses Jahres „immerhin 96,6 Prozent der Notrufe innerhalb von 30 Sekunden entgegengenommen“ worden. Auf die Frage der taz, ob die Wartezeiten zumutbar seien, hieß es lediglich, die Zielvorgabe sei „ambitioniert“ und solle es auch sein, „um den Bürgerinnen und Bürgern ein Höchstmaß an Erreichbarkeit bieten zu können“. Der aktuelle Engpass sei rechtzeitig erkannt worden, bereits im September habe die Polizei einen „modifizierten Schichtplan zur verstärkten Bedarfsorientierung“ eingeführt. Weitere Verbesserungen seien beabsichtigt.

Von diesem Schichtplan hält die GdP herzlich wenig: Dadurch sei es eher schlimmer geworden, so Sprecherin Brinkhus: „Gerade in der heiklen Zeit zwischen 3 und 9 Uhr morgens fehlen jetzt Kollegen.“

Die Berliner Polizei weist darauf hin, dass der Notruf oft fälschlicherweise genutzt werde. Von 1,4 Millionen Notrufen 2013 waren mehr als ein Drittel „ohne polizeilich relevanten Bezug“, so eine Sprecherin am Mittwoch zur taz. Dabei handele es sich etwa um Scherze und Nachfragen zu abgeschleppten Autos.

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