Web-Plattform für Etikettenschwindel: Verlogene Früchte

Auf Lebensmittelklarheit.de kann man auf irreführende Produktinformationen hinweisen. Nach zwei Jahren ziehen die Seitenbetreiber nun Bilanz.

Was ist drin? Unklare Informationen in kleinsten Schriftgrößen erschweren es Verbrauchern oft, sich ein genaues Bild zu machen. Bild: dpa

BERLIN taz | „Heimische Früchte“ – damit wirbt Müllermilch für ein Getränk, doch das Obst ist je nach Angebot gar nicht heimisch. Dies ist ein Beispiel für eine unklare Produktinformation. Seit Juli 2011 können Verbraucher auf der Website Lebensmittelklarheit.de auf irrführende oder falsche Produktkennzeichnungen hinweisen.

Mehr als 7.300 Meldungen seien seitdem auf der Website eingegangen, rund 3.700 Anfragen gestellt worden. Das teilte der Bundesverband Verbraucherzentrale (VZBV) am Donnerstag bei seiner zweijährigen Zwischenbilanz in Berlin mit.

„Es so läuft so einiges schief im Lebensmittelmarkt“, sagte Gerd Billen, Vorstand des VZBV. Die bisherigen Kennzeichnungen würden „systematisch falsche Assoziationen wecken“. Billen forderte Hersteller und Anbieter zu mehr Transparenz für die Verbraucher auf: „Was drin ist, muss drauf stehen. Und was drauf steht, muss drin sein.“ Zugleich sagte er, dass mehr Aufklärung nötig sei. Die Verbraucher hätten oft eine „idealisierte Vorstellung von der Landwirtschaft und der Lebensmittelverarbeitung“.

Die drei Themen, die die Verbraucher am meisten beschäftigen, sind laut VZBV die Zutaten und Zusatzstoffe, das Erscheinungsbild und die Kennzeichnung der Lebensmittel. Als Erfolg wertete der VZBV, dass von den mehr als 360 veröffentlichten Produktmeldungen inzwischen 107 geändert worden seien.

Billens Lob für Aigner klingt fast wie Wahlwerbung

Obwohl er die Politik aufforderte, sich ebenfalls mehr für die Interessen der Verbraucher einzusetzen, lobte Billen mehrmals Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU). Er sei „mit ihrer Arbeit nicht unzufrieden“. Sie hätte „gute Sachen gemacht“, so beim Thema unzureichender Datenschutz internationaler Internetfirmen wie Facebook und Google.

Zudem verwies Billen auf das Regierungsprogramm der CDU/CSU, „Gemeinsam erfolgreich für Deutschland“, in der sich die Forderungen der VZBV in Sachen Lebensmittelklarheit wiederfinden würden. In dem Programm heißt es unter der Überschrift „Wegweiser durch die Konsumwelt“: „Wir werden das Projekt ,Klarheit und Wahrheit' mit der Internetplattform ,Lebensmittelklarheit.de' auch für andere Felder entwickeln, wie zum Beispiel bei Haushaltswaren und Bedarfsgegenständen.“

Das Verbraucherschutzministerium hatte zu Jahresbeginn, als auch die weitere Förderung des Portals über 2013 entschieden wurde, angekündigt, das Angebot unter dem Titel produktklarheit.de weiterzuentwickeln.

Billens Lob für Aigners Politik klingt im Vorfeld der Bundestagswahl fast schon wie eine Wahlwerbung. Überraschend ist das nicht, wenn man weiß, dass die von der VZBV betriebene Website Lebensmittelklarhheit.de 2011 von Aigner initiiert wurde und seitdem von ihrem Ministerium finanziell gefördert wird.

„Grundsätzlich begrüßen wir es, dass es Lebensmittelklarheit.de gibt“, sagt Oliver Huizinga von der Verbraucherorganisation Foodwatch. „Das reicht allerdings nicht, um die allgegenwärtige und alltägliche Verbrauchertäuschung zu beenden.“

Die Aufgabe von Verbraucherschutzministerin Aigner sei es nicht, Onlineportale zu finanzieren, bei denen man sich über Etiquettenschwindel informieren könne. „Sie sollte sich stattdessen für verbindliche Regeln einsetzen, die falsche Informationen und Etiquettenschwindel erst gar nicht möglich machen“, sagt Huizinga. Frau Aigner wolle das Thema offenbar bis zum Ende ihrer Amtszeit aussitzen.

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