Wedding: „Das Leben in die Hand nehmen“

Mit einer Privatschule will Stefan Döring Schülern aus Migrantenfamilien und Kindern von ärmeren Eltern zu einem guten Schulabschluss verhelfen

Unterricht und Bildung (unser Bild zeigt exemplarisch eine Klassenraumsituation) gelten als Schlüssel für eine gute Zukunft. Mit einer Privatschule will Stefan Döring Kindern aus Migrantenfamilien und aus ärmeren Familien zu einem guten Schulabschluss verhelfen Bild: dpa

taz: Herr Döring, Sie wollen in Wedding eine Schule speziell für Kinder aus armen und Einwandererfamilien eröffnen. Warum glauben Sie, dass diesen SchülerInnen eine Privatschule hilft?

Stefan Döring: Wir glauben, dass diesen SchülerInnen eine exzellente Schule hilft. Dabei spielt es eigentlich keine Rolle, ob das eine private oder eine öffentliche ist. Wir können als Eigeninitiative unser Konzept aber nur in Form einer Schule in freier Trägerschaft umsetzen.

Was ist Ihr Konzept?

Wir wollen eine Schulkultur schaffen, in der ein Miteinander von Lehrern, Schülern und Eltern erfolgreiches Lernen tatsächlich möglich macht. An den öffentlichen Schulen …

wo Sie und Kogeschäftsführerin Fiona Brunk als Hilfslehrer tätig waren …

… haben wir häufig erlebt, dass es da eher ein Gegeneinander gibt, das oft zu Bildungsmisserfolgen bei den Schülerinnen und Schülern führt.

Wie wollen Sie diese andere Schulkultur hinbekommen?

Indem wir etwa den Migrationshintergrund der Kinder als Chance betrachten. Das wird an öffentlichen Sekundarschulen oft nicht so aufgefasst. Wir wollen die Herkunftssprachen stärken, die Auseinandersetzung mit der Herkunfts-, aber auch mit der Kiezkultur, wollen interkulturelles Lernen als Wahlpflichtfach anbieten und damit den Kindern, die hier aufwachsen, die Möglichkeit geben, sich mit ihrem multikulturellen Umfeld auseinanderzusetzen.

Warum ist das wichtig?

Wir haben etwa bei der Herbstakademie, die wir vergangenes Jahr mit interessierten Jugendlichen veranstaltet haben, festgestellt, dass solche Selbstreflexion bei ihnen ganz viel Motivation erzeugt, das eigene Leben in die Hand zu nehmen und selbstbestimmt zu gestalten. Wir docken daran etwa mit biografischen Theaterprojekten an, deren Sinn nicht nur darin besteht, dass die Jugendlichen lernen, Präsenz zu zeigen und Disziplin zu halten, sondern auch darin, dass sie ihre eigenen Geschichten erzählen und reflektieren.

Das hört sich nach einem spannenden Projekt an – aber nicht nach einem Konzept für eine eigene Schule.

Natürlich werden wir auch den nach dem Rahmenplan erforderlichen Unterricht erteilen – sogar etwas mehr in Mathe und Deutsch – und mithilfe der Unterstützung von Projekten wie Teach First …

einer Bildungsinitiative, die junge Akademiker, bevor sie in den Job einsteigen, für zwei Jahre als Hilfslehrer zur Unterstützung an Brennpunktschulen schickt …

… mit deren Kooperation wollen wir auch mehr als einen Lehrer pro Gruppe einsetzen. Dazu wird es für jeden Schüler ein Tutorengespräch pro Woche geben und eine vertiefte Berufsorientierung plus Praktika ab Klasse 7. Eines unserer Ziele ist, jeden Schüler zu einem Schulabschluss zu führen. Und wer nach dem Abschluss hier nicht in eine Oberstufe wechselt, soll mit einem Ausbildungsvertrag die Schule verlassen.

Wie wollen Sie das finanzieren? Viel Schulgeld werden Sie von Ihrem Zielpublikum nicht verlangen können.

Die Trägerschaft für unsere Schule übernimmt die Montessori-Stiftung, ein bewährter Träger freier Schulen. Dadurch bekommen wir von Anfang an staatliche Zuschüsse. Die bleibende Lücke schließen wir durch Kooperationspartner. Wir haben etwa eine Anschubfinanzierung von der Vodafone-Stiftung, dazu fünf gestiftete Schülerstipendien, deren Kosten bei jeweils 6.000 Euro im Jahr liegen, für die ein Unternehmen und eine weitere Stiftung aufkommen. Auch Privatpersonen haben schon angefragt, die Stipendien übernehmen wollen. Und wir sind noch mit anderen Stiftungen in Verhandlungen. Wir würden am liebsten ganz ohne Schulgeld auskommen – und suchen dafür auch noch weitere Förderer.

Mit wie vielen Klassen wollen Sie anfangen?

Mit ein bis zwei siebten Klassen, also 26 bis 52 SchülerInnen. Wir haben bislang eine Klasse verantwortungsbewusst finanziert.

Haben Sie Ihre Lehrkräfte schon gefunden? Lehrerinnen und Lehrer sind ja Mangelware in Berlin.

Es gab über 100 Bewerbungen auf unsere Ausschreibung. Wir haben unsere Stellen besetzt, alle mit Lehrkräften, die Erfahrung mit der Klientel haben.

Wie steht es mit der Nachfrage auf Schülerseite?

Wir werden am 4. März die erste Informationsveranstaltung machen. Ich rechne dort mit den ersten Anmeldungen.

Wie werden Sie auswählen, wenn Sie mehr Anmeldungen als Plätze haben?

Wir dürfen nicht diskriminieren, also Schüler nicht danach auswählen, ob sie arm sind oder Migrationshintergrund haben. Aber wir gründen die Schule für benachteiligte Jugendliche und werden entsprechend werben.

Sie und Fiona Brunk sind keine Lehrer – was hat Sie getrieben, eine Schule zu eröffnen?

Wir haben bei Teach First gemerkt, dass wir mit von uns gestalteten Unterrichtsmodellen Erfolg bei SchülerInnen haben können, die sonst eher keinen erleben. Wir haben gemerkt: Selbst die Kids, die als größte Chaoten der Schule gelten, können was.

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