Weiblicher Sextourismus: Verbrämte Lusttäterinnen

Sommer, Sonne und große Gefühle im Sonderangebot. Warum viele Frauen kleine Liebesflüsterer zu großen Liebhabern stilisieren.

Der Traum von einem Mann. Bild: sianais/photocase

Erst erobern sie dein Herz, dann räumen sie dein Konto ab: 5.000 deutsche Touristinnen fallen jedes Jahr auf Beznesser rein", schreibt Bild der Frau und schickt zwei Reporterinnen auf verdeckte Recherche nach Kenia. In einer dreiteiligen Serie wird über die Tricks der "Liebesbetrüger" berichtet. In Internetforen wie www.1001geschichte.de, inszeniert von Evelyne Kern, selbst Opfer eines sogenannten Beznessers, werden die "Gefühlsgangster" an den Pranger gestellt.

Ihre weiblichen Opfer finden ein bisschen Sex, Erotik und Anerkennung und halten es für Liebe, auch wenn der Eroberte 20 Jahre jünger, die eigene Attraktivität längst verflogen ist. Die Beach Boys von Kenia, die Strandadonisse von Sousse oder die Strandläufer von Antalya sind trickreiche Einzelunternehmen in Sachen Sex. Ihr Kapital ist der eigene Körper und Charme, ihr Bordell der ganze Strand.

Der Körper als käufliche Ressource der Dritten Welt - Business as usual in einem globalen Markt mit seinen strukturellen Ungleichheiten. Frauen, Männer, selbst Kinder sind als Sonderangebot zu haben. Der Motor für die Entwicklung des Sextourismus ist vor allem das Wohlstandsgefälle zwischen den Reisenden und den Ländern, meist im Süden, die sie bereisen. In dem Moment, in dem das ökonomische Gefälle beseitigt ist, würden sich die Verhältnisse rasch normalisieren. Der Papagallo im Italien der sechziger Jahre, der Latin Lover an den Stränden Spaniens hat sich in einem wirtschaftlich saturierten Europa - zumindest bis zur Finanzkrise - längst im eigenen Ferienhaus zur Ruhe gesetzt.

In seinem 1992 gedrehten Film "Bezness" (Business) setzte sich der tunesische Regisseur Nouri Bouzid kritisch mit der Prostitutionskarriere eines jungen Tunesiers auseinander. Der Begriff Beznesser, der mit der Liebe Geschäfte macht, hat sich durchgesetzt. Er ist zum Unwort für enttäuschte weibliche Gefühle im touristischen Liebeshandel geworden. Weltweit.

Doch vom schönen Macho aus Berufung und Beruf will frau nichts wissen. Das ist der entscheidende Unterschied zum zielstrebigen Bordellbesuch der Männer in Thailand mit wechselnden Partnerinnen. Bei den männlichen Sextouristen ist Vögeln auf dem Reiseplan vorprogrammiert. Dies stünde den weiblichen Freierbedürfnissen konträr entgegen: Die funktionale Eindeutigkeit zerstört die Lust der Vorlust und alle Liebesillusion von vornherein.

Doch die Frauen sind keine Opfer patriarchaler Selbstherrlichkeit, hereingelegt und ausgebeutet von polygamen männlichen Strandschönheiten. Sie sind romantisch verbrämte Lusttäterinnen, die sich holen, was sie brauchen - ein bisschen Erotik von gut aussehenden Männern. Sie sind Opfer ihrer eigenen Naivität, ihres Mangels und der Sehnsucht nach dem großen Gefühl. Und dafür zahlen sie manchmal einen hohen Preis: Sie bauen sich und dem Geliebten ein Haus im fernen Urlaubsparadies ohne rechtliche Absicherung, sie zahlen für die Familie oder sie holen ihren Prinz gleich nach Europa, wo er sich als glitschiger Frosch entpuppt. Denn der verführerische Macho ist meist wenig anpassungsfähig, noch weniger emanzipiert.

Dabei durchstreiften Frauen schon viel selbstbewusster die Strände dieser Welt. Sie machten Urlaub von der Political Correctness des Feminismus der Siebzigerjahre. Ihr Credo: entdecken, welche Art von Lust sie als Frau wollen. Sie machten sich auf nach Jamaika, zu Reggae und Rastas, um sich ohne Gewissensbisse an der Schönheit männlicher Körper zu erfreuen: "Welche Frau hier könnte es sich leisten, ihre männliche Muse stundenlang versonnen zu betrachten, wie es die Frauen auf Jamaika von sich berichten?", fragten sich Autorinnen des Frankfurter Szenemagazins Pflasterstrand. Frauen experimentierten mit Fischern in Griechenland, mit arabischen Wüstenprinzen und brasilianischen Strandurlaubern. Sie suchten den besonderen, vielleicht den archaischen, auf jeden Fall den erotischen Mann.

Auch die amerikanische Dozentin Maryse Holder machte in den Siebzigern Jagd auf mexikanische Machos. Sie rauchte, trank und liebte hemmungslos. Im Vorwort der Buchausgabe "Give sorrow words - Maryse Holders letters from Mexico" würdigt die amerikanische Feministin Kate Millet die Sprengkraft dieser Thematik: hemmungsloser Sextourismus, praktiziert von einer Frau. Sie sah in Maryse Holder "eine Schwester, Abenteurerin, eine Verrückte, so kühn wie früher Henry Miller, so selbstzerstörerisch wie Janis Joplin, die Stimme Genets in einer Frau […]."

Von Wildheit und Abenteuer, geschweige denn Selbstbewusstsein ist in den Geschichten der ewig Betrogen wenig zu spüren. Vielleicht sollten die Pauschalflieger nach Kenia, Ägypten oder Mali den Film "In den Süden" mit Charlotte Rampling zeigen. Auch da geht es um die ungleiche Liebe zweier älterer Frauen zu einem jungen Haitianer. Ohne Reue, Ausbeutung und vor allem ohne Illusion. Ein subtiler, ein zärtlicher Film.

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