Weiter Debatte um Datenaffäre: Polizei schweigt sich aus

In Berlin verteidigen Polizei und Rot-Schwarz die Praxis der Funkzellenabfragen. In anderen Bundesländern ist man restriktiver.

Obacht, bisweilen erfasst die Polizei mit! Bild: dpa

Die Polizei lehnt eine breite Benachrichtigung der Betroffenen von Funkzellenabfragen ab. "Eine Auskunft ist nur dann zu erwarten, wenn zu einer Rufnummer der dazugehörige Anschlussinhaber ermittelt und diese Daten in einer polizeilichen Datei gespeichert wurden", sagte ein Sprecher auf taz-Anfrage. Dies sei nur bei einem "äußerst geringen Anteil" der Verbindungsdaten erfolgt. Über die Benachrichtigung entscheide letztlich die Staatsanwaltschaft. Der Berliner Datenschutzbeauftragte Alexander Dix hatte zuvor auf eine Informierungspflicht der Betroffenen hingewiesen. Davon könne nur in Ausnahmefällen abgewichen werden.

Am Montag hatte die Polizei eingeräumt, seit 2008 mittels 375 Funkzellenabfragen 4,2 Millionen Handyverbindungsdaten bei Providern angefordert zu haben, um so Autobrandstifter zu fassen - was in keinem Fall gelang. Zudem erfolgten 35 Abfragen wegen anderer politischer Straftaten, darunter versuchte Tötungsdelikte, Brandanschläge auf politische und religiöse Einrichtungen sowie Sprengstoffanschläge. "Das betraf islamistische, rechts- wie linksextreme Motive", so der Polizeisprecher.

Die Massenabfragen führten am Donnerstag zu einer hitzigen Debatte im Abgeordnetenhaus. Die Innenverwaltung berichtete dort von 821 weiteren Funkzellenabfragen zu nichtpolitischen Straftaten. Die Hintergründe würden noch recherchiert. Innensenator Frank Henkel (CDU) versprach "umfassende Transparenz". Die Abfragen seien aber vom Gesetz gedeckt und würden nicht infrage gestellt.

In Hamburg, ebenfalls von Autobrandserien geplagt, wurden Funkzellenabfragen dagegen wiederholt als "unverhältnismäßig" abgelehnt. Genaue Zahlen lägen nicht vor, sagte Gerichtssprecher Conrad Müller-Horn. Eine Abfrage sei aber "nur dann verhältnismäßig, wenn sie nicht ins Blaue hinein erfolgt". Es müsse eine konkrete Vermutung geben, dass die Datenerhebung zur Ermittlung des Täters führe. Auch in Niedersachsen hatte Innenminister Uwe Schünemann (CDU) auf eine Linken-Anfrage geantwortet, Funkzellenabfragen "nur sehr restriktiv" einzusetzen. Die Tat müsse umso gravierender sein, je größer die Zahl der Unbeteiligten sei. In Berlin hatte die Polizei nach ihren Abfragen zu den Autobränden in 960 Fällen Namen und Adressen der Handynutzer ermittelt. Feste Kriterien gebe es dafür nicht, so der Sprecher. Die Entscheidung erfolge in Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft und nach "einer intensiven und am jeweiligen Sachverhalt orientierten Einzelfallprüfung".

Polizeivizepräsidentin Margarete Koppers hatte zuletzt das Beispiel André H. genannt: Der 27-Jährige soll 2011 allein 67 Autos angezündet haben. Seine Handynummer tauchte an vier Tatorten auf. Die Staatsanwaltschaft lehnte dennoch eine Ermittlung seines Namens aus Verhältnismäßigkeitsgründen ab. H. wurde später mithilfe von Kamerabildern aus U-Bahnhöfen gefasst.

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