Weiter nach der Brexit-Abstimmung: Der Ball liegt bei den Briten

Nach zwei Jahren Verhandlungen wissen die Europäer noch immer nicht, woran sie sind. Das EU-Parlament will die Ratifizierung unverdrossen fortsetzen.

Eine Fahne und ein Regenschirm mit EU-Sternchen auf der britischen Fahne

Ob Sternchen ja oder Sternchen nein wird sich zeigen Foto: dpa

BRÜSSEL taz | Der Brexit-Deal ist tot, es lebe der Brexit-Deal: Nach dem überraschend klaren Scheitern des EU-Austrittsvertrags im britischen Unterhaus fällt es den Europäern schwer, sich auf die neue Lage einzustellen.

„Ich nehme das Ergebnis bedauernd zu Kenntnis“, erklärte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. „Wenn ein Deal unmöglich ist, und niemand einen No-Deal will, dann muss endlich einer den Mut haben zu sagen, was die Lösung wäre“, twitterte Ratspräsident Donald Tusk. Der Ball liegt im britischen Feld, so die Botschaft.

Doch was die krachende Abstimmungsniederlage für die EU bedeutet und wie es nun weitergeht, blieb auch am Tag nach der Entscheidung offen. Nach Gründen muss man nicht lange suchen: Die Europäer sind ratlos und wütend. Zwei Jahre nach Beginn der Verhandlungen mit der britischen Premierministerin Theresa May wissen sie immer noch nicht, woran sie sind.

Am prägnantesten fasste es der liberale Europapolitiker Guy Verhofstadt zusammen. „Das britische Parlament hat gesagt, was es nicht will. Jetzt ist es höchste Zeit zu klären, was die britischen Abgeordneten wirklich wollen.“ In dasselbe Horn stieß der konservative Spitzenkandidat für die Europawahl, Manfred Weber: „Bitte, bitte, bitte sagt uns endlich, was ihr erreichen wollt“, flehte der CSU-Politiker.

Die Meinungen gehen auseinander

Die Lösung liegt in London – da sind sich alle einig. Doch schon bei der Frage, ob der Scheidungsvertrag durch das britische „No“ hinfällig geworden ist, oder ob der Deal weiter gilt, gehen die Meinungen auseinander. Das Europaparlament will die Ratifizierung fortsetzen, der Brexit-Deal werde nicht geändert, erklärte der CDU-Abgeordnete Elmar Brok.

Auch Kommissionschef Juncker hält am „bestmöglichen Deal“ fest. Man habe „enorme Zeit und Mühe“ in die Verhandlungen gesteckt und sei nicht bereit, wieder von vorn anzufangen. „Der Deal wird nicht aufgeschnürt“, betonte Junckers Sprecher. Doch ausgerechnet bei Chefunterhändler Michel Barnier klang es am Mittwoch etwas anders.

Der Franzose ließ durchblicken, dass die EU doch noch zu Nachverhandlungen bereit sein könnte. Voraussetzung sei aber, dass die Briten ihre bisherigen „roten Linien“ ändern, sagte Barnier. Außerdem müsse eine harte Grenze zwischen Irland und Nordirland verhindert werden. Damit beharrte Barnier in einem zentralen Streitpunkt auf der EU-Position – dem sogenannten Backstop.

Alle EU-Staaten müssten zustimmen

Neue Töne kamen dagegen aus Frankreich. Eine Verschiebung des offiziellen Brexit-Datums am 29. März sei „juristisch und technisch möglich“, sagte Europaministerin Nathalie Loiseau. Allerdings müsse dazu eine entsprechende Anfrage aus London kommen. Gleichwohl rechnet man in Paris damit, dass die Briten nachverhandeln und dann erneut im Parlament abstimmen wollen.

Damit es zu einer Verlängerung kommt, müssten allerdings alle 27 EU-Staaten einer Verschiebung des Brexit-Termins zustimmen. Denkbar sei dies nur, wenn es Neuwahlen in Großbritannien gebe oder ein zweites Brexit-Referendum angesetzt werde, meint CDU-Parlamentarier Brok. Doch selbst dann ist nicht klar, ob es grünes Licht aus Brüssel geben wird. Schließlich würden neue Wahlen oder Abstimmungen die Unsicherheit weiter erhöhen.

Und so wartet man ab in Brüssel. „Wait and see“ ist das neue, sehr britische Motto. In der Zwischenzeit wurden alle Mitgliedstaaten aufgefordert, sich mehr denn je auf einen „harten Brexit“ vorzubereiten. Das Risiko eines Brexits ohne EU-Abkommen sei „so hoch wie nie“, warnte Barnier.

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