Weltsozialforum in Dakar: Der europäische Raubfisch

Die Meere in Europa sind überfischt und die Fangflotten gehen nach Afrika. Dort ruinieren sie die Bestände, die Preise und die regionale Wirtschaft.

Etwa 30 Prozent der afrikanischen Fische, die nach Europa exportiert werden, sind illegal gefangen. Afrika verdient an ihnen nichts. Bild: reuters

DAKAR taz | Während Europas Meere bald leergefischt sein werden, sind die Fischgründe Westafrikas nach wie vor reich. Immer häufiger werfen europäische Fangflotten ihre Netze deshalb vor Ländern wie Senegal oder Mauretanien aus - bis auch dort nichts mehr zu holen sein wird. Das haben afrikanische Fischer auf dem Weltsozialforum in Dakar der EU vorgeworfen. Diese betreibe Raubbau an ihren Küsten und zerstöre so nicht nur hunderttausende Arbeitsplätze, sondern gefährde auch die Nahrungsversorgung in der Region.

"Die hochsubventionierten europäischen Fangflotten zwingen uns in die Knie", sagte Lamine Niass, der Sprecher des westafrikanischen Kleinfischerverbandes ICSF. "Sie fischen alles ab, zahlen hier keine Steuern und machen die Preise kaputt. Es ist ein unfairer Wettbewerb, wir können da nicht mithalten." Der Fisch aus dem Atlantik sei für die lokale Lebensmittelversorgung unverzichtbar. "Wir haben die Aufgabe, unsere Bevölkerung zu versorgen. Uns daran zu hindern ist ein Angriff auf die Ernährungssouveränität unserer Länder."

Auf dem Weltsozialforum stellten der Evangelische Entwicklungsdienst (EED) und die europäischen Grünen mit dem ICSF eine Studie vor. 88 Prozent der Fischgründe in Europa seien überfischt, sagte die grüne EU-Parlamentarierin Isabella Lövin. Gleichzeitig steige hierzulande der Fischkonsum rapide an.

22 Kilo Fisch pro Kopf und Jahr

22 Kilo Fisch isst heute im Durchschnitt jeder Europäer jährlich, 70 Prozent davon sind importiert. Die Politik, die die EU in den afrikanischen Gewässern betreibt, nennt Lövin "Sea-Grabbing" - in Anlehnung an "Land-Grabbing", den Raub von Ackerland durch Großgrundbesitzer oder Bodenspekulanten. "Die Methoden sind sehr ähnlich." Die rücksichtslose Fangpraxis der Europäer habe "desaströse" Folgen.

Dabei sind Fischfangverträge im Prinzip keine unfaire Angelegenheit: Das in den 1980er Jahren geschlossene Seerechtsabkommen garantiert allen Meeresanrainern das Verfügungsrecht über eine 200-Meilen-Zone. Doch haben sie nicht genug Fangkapazitäten, müssen sie ihre nicht genutzten Fangrechte an ausländische Interessenten verkaufen - der Preis ist Verhandlungssache.

Weil es keine Untersuchungen über den Fischbestand vor Afrikas Küsten gab, basieren die Fischereiabkommen auf einer anderen Größe als in Europa. Nicht Quoten sind festgelegt, sondern die Dauer, für die Schiffe bestimmter Größe nach einzelnen Arten fischen dürfen. Doch durch technische Tricks würden die europäischen Reeder bis zu zweimal so viel aus dem Wasser ziehen, wie den Verträgen als Annahme zu Grunde liegt, sagt der Fischerei-Experte des EED, Francisco Marí. "Bevor der Schiffsbauch voll ist, lässt man beispielsweise ein Schwesterschiff kommen. Das übernimmt dann die Fracht und man fischt weiter."

Doch auch ohne Tricks fällt der Deal kaum zugunsten der Entwicklungsländer aus: Mauretanien etwa hat Europa für 97 Millionen Euro im Jahr das Recht verkauft, in seinen Gewässern zu fischen. Der Marktwert des Fangs, den die EU-Trawler jedes Jahr vor Mauretanien aus dem Wasser ziehen, beträgt etwa 1,2 Milliarden Euro. Sich eine eigene Flotte aufzubauen und das Geschäft selbst zu machen überfordere das arme Land: "Das Geld für die Schiffe und die Infrastruktur zur Weiterverarbeitung können die nie aufbringen", sagt Marí.

Fischerei ist Grundpfeiler der Wirtschaft

Mit sechs westafrikanischen Ländern hat die EU ein Abkommen, allein Senegal hat den Vertrag 2006 auf Druck der heimischen Fischer ausgesetzt. Die Fischerei ist der "Grundpfeiler unserer Wirtschaft", sagt Osumane Ndaye von der senegalesischen Fischereibehörde. 600.000 Jobs und 38 Prozent des Export des Landes hängen daran. Doch genutzt hat die Kündigung des Abkommens wenig. "Senegal ist ein Beispiel dafür, wie das Plündern niemals aufhört", sagt Marí.

Ausländische Fischereikonzerne würden mit Strohmännern undurchsichtige Joint Ventures in senegalesischen Freihandelszonen aufbauen, klagt Niass. "So zahlen sie zehn Jahre lang keine Steuern." Der Fisch lande nur scheinbar in dem Land an, tatsächlich werde er in Europa verarbeitet und dort auch verkauft. Zu allem Überfluss erhielten diese Reeder auch noch Subventionen der EU, die so ihren wachsenden Bedarf an billigem Fisch sicherstelle.

Hinzu komme die komplett illegale Fischerei. "Ungefähr 30 Prozent des in Europa verkauften Fischs stammt aus illegalem Fang", sagt Marí. Doch die senegalesische Küstenwache konzentriere auf Druck Spaniens ihre begrenzten Kapazitäten darauf, Papierlose auf ihrem Weg zu den Kanarischen Inseln abzufangen.

"Wir haben im Prinzip nichts gegen ein Abkommen, solange es nachhaltig ist", sagt Marí. "Die EU muss respektieren, dass die Kleinfischer das Erstrecht auf ihre Ressourcen haben. Ihr Überleben muss gesichert sein. Vor allem aber muss die EU alles unterlassen, wodurch die Fischbestände so zurückgehen, dass hier der Hunger wächst."

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