Weltwasserforum in Marseille: Zeit für einen neuen Umgang

In Marseille debattieren Staatsvertreter, Manager und Experten über das Geschäft mit dem Wasser. Die Nähe zu großen Konzernen ruft Kritik hervor.

Heißer Scheiß. Bild: daniel.schoenen / photocase.com

PARIS taz | „Time for Solutions“ – „Es ist an der Zeit, Lösungen zu finden“: Unter diesem Motto versammeln sich seit Sonntag in Marseille Besucher aus 140 Ländern zum diesjährigen „Weltwasserforum“. Rund 20.000 Teilnehmer – Staatsvertreter, Firmenangehörige, Experten und Interessierte – wollen nach Angaben der Organisatoren in der französischen Mittelmeermetropole bis zum kommenden Freitag über einen besseren Umgang mit dem Wasser debattieren.

Hochrangige Staats- und Regierungspolitiker allerdings reisen vor allem aus Drittweltländern an, wo die Wasserversorgung besonders problematisch ist oder eine Quelle regionaler Konflikte darstellt. Es ist keine neue Erkenntnis, dass Wasser ein strategischer Rohstoff ist.

Seine Nutzung für Landwirtschaft, Industrie oder zur Energieproduktion mittels Staudämmen produziert vielerorts Spannungen, die bis zu Kriegen eskalieren können. Solch ein Krisenherd existiert zurzeit etwa im Konflikt zwischen Israel und Palästina, während sich Ägypten, Sudan und Äthiopien um den kostbaren Nil streiten.

In Europa hingegen haben sich die Flussanrainer der Donau oder des Rheins längst in grenzübergreifenden Verträgen im gemeinsamen Interesse auf Regelungen geeinigt. Eines der Themen in Marseille soll es sein, diese europäischen Erfahrungen mit Regionen in Afrika, Asien oder Amerika zu teilen.

Am Montagnachmittag stellte die Generaldirektorin der Wissenschafts- und Kulturorganisation der Vereinten Nationen (Unesco), Irina Bokova, den vierten UNO-Weltwasserbericht vor. Doch der offizielle Anschein trügt: Das Weltwasserforum ist keine UNO-Veranstaltung. Es wird seit 1997 im Turnus von 3 Jahren von einem privaten „Conseil mondial de l’eau“ (Weltwasserrat) organisiert. Sein Leiter, Loïc Fauchon, ist Geschäftsmann und leitet die Filiale des Konzerns Veolia, die in Marseille für die Wasserversorgung und unter anderem auch für die Verwaltung des Tagungsorts Parc Chanot zuständig ist.

Mangel an Unabhängigkeit

Die offensichtliche Nähe zu den großen Wasserkonzernen, namentlich zu den französischen Marktführern Veolia und Suez, ist der Grund, dass Kritiker dem Forum Mangel an Unabhängigkeit vorwerfen: „Diese kommerzielle Messe entspricht in keiner Weise der Dringlichkeit des Problems, das die von privaten Wirtschaftsinteressen konfiszierte Wasserversorgung und -aufbereitung darstellt“, erklärte in Marseille etwa Jean-Luc Touly, einer der Vertreter der zahlreichen Initiativen, die eine Einladung zu dem Forum wegen dieser Kommerzialisierung abgelehnt haben.

Die nichtstaatlichen Gruppen (NGO) haben – wie schon vor drei Jahren in Istanbul – ein paralleles Alternativforum organisiert. Dort werden die Kommerzialisierung des Wassers und ihre Folgen nicht nur für die Bevölkerung der Drittweltländer, sondern auch für die Konsumenten in Europa angeprangert. Die EU beispielsweise hat zu Jahresbeginn eine Untersuchung wegen Kartellabsprachen gegen die beiden großen französischen Wasserkonzerne eingeleitet.

Inzwischen ist in Frankreich ein neuer Trend zu beobachten: Wie die Hauptstadt Paris haben mehrere Kommunen beschlossen, die einst privatisierte Wasserversorgung wieder in eigene öffentliche Regie zu übernehmen. Ein Beispiel: Nachdem das ländliche Departement Les Landes nach langjährigem Rechtsstreit die Wasserversorgung wieder übernommen hatte, sanken die Wasserpreise in 75 Ortschaften kräftig, und nun gehören sie zu den günstigsten des Landes. Und laut Aussagen von Verbrauchern in einer Fernsehreportage von France-2 ist die Qualität gestiegen. Das Beispiel dürfte Schule machen.

Für die zusehends unter Druck geratenden Konzerne ist ein internationales Forum zur Imagepflege darum besonders nützlich.

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