Weltweite Stromerzeugung: Keine Renaissance der Atomenergie

Noch legt China bei Strom aus AKWs zu. Betrachtet man alle anderen Länder zusammen, ging die Atomstrom-Erzeugung 2017 aber etwas zurück.

Dampf steigt aus den Kühltürmen eines Atomkraftwerks

Zwei Kühltürme machen noch keine Atomkraft-Renaissance: AKW Doel Foto: dpa

BERLIN taz | Die von der Atomwirtschaft gern konstruierte weltweite Renaissance der Atomkraft findet nicht statt – sofern man China als Sonderfall außen vor lässt. Betrachtet man alle anderen Länder der Welt zusammen, ging die Erzeugung von Atomstrom 2017 leicht zurück. Nur weil China im Jahr 2017 um 18 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zulegte, ergab sich in der globalen Bilanz ein Anstieg der erzeugten Atomstrommenge von 1 Prozent.

Das ist das Ergebnis des jüngsten World Nuclear Industry Status Report, der am Dienstag in London vorgestellt wurde. Autoren sind der in Paris ansässige Atomenergieberater Mycle Schneider und sein Team. Der Report, der 1992 erstmals erschien, ist die umfangreichste Datensammlung und Analyse der weltweiten Atomwirtschaft, die es jährlich gibt.

Noch wird in China kräftig zugebaut, doch mittelfristig dürfte auch dort die Kurve abflachen. Seit Dezember 2016 hat China laut dem Report keinen Neubau eines kommerziellen Reaktors begonnen.

Weltweit sinkt seit einigen Jahren die Zahl der in Bau befindlichen Atomkraftwerke: Ende 2013 seien noch 68 Atommeiler in Bau gewesen, Mitte 2018 nur noch 50. Und davon lägen inzwischen mindestens 33 hinter ihrem Zeitplan zurück. Massive Verzögerungen kennt man auch von den wenigen Neubauten in Europa: Die Projekte Flamanville in Frankreich und Olkiluoto in Finnland sind inzwischen viele Jahre in Verzug.

Trotz des derzeitigen Booms in China – 3 neue Reaktoren gingen dort 2017 ans Netz – lag die weltweite Atomstromerzeugung auch 2017 6 Prozent unter ihrem historischen Maximum von 2006.

Die weltweite Entwicklung der Atomstromerzeugung hängt derweil vor allem von der Laufzeit der Altreaktoren ab. Im Mittel sind die weltweit laufenden Meiler inzwischen 30 Jahre alt, und fast jeder fünfte hat die Marke von 40 Jahren schon überschritten. Gehen die Altreaktoren nur zögerlich vom Netz, könnte die global erzeugte Atomstrommenge durch Fertigstellung der noch in Bau befindlichen Kraftwerke auch in den nächsten Jahren noch leicht ansteigen. Trotzdem zeigt die Tendenz: Der Anteil des Atomstroms am weltweiten Strommix sinkt weiter. Im Jahr 1996 hatte er mit 17,5 Prozent seinen Höchststand erreicht, 2017 lag er bei 10,3 Prozent.

Dazu trägt auch der Boom erneuerbarer Energien bei: Die Windstromerzeugung legte 2017 gegenüber dem Vorjahr weltweit um 17 Prozent zu, die Solarstromerzeugung um 35 Prozent. Den Ausbau von Wind- und Solarkraft sieht der Report als Grund für die chinesische Atomkraft-Bremse. China habe alleine im Jahr 2017 eine Summe von 126 Milliarden Dollar in erneuerbare Energien investiert. Zugleich verlangsame sich der Anstieg der Stromnachfrage, während Anforderungen an die nukleare Sicherheit und Kosten neuer Technologien steigen. Alles Hindernisse für die Atomkraft, die auch Politik und Entscheidungsträger in China nicht ignorieren könnten.

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